Brüssel – Eingeführt mit dem simplen Zweck, den Gesamtersten der Tour de France besser zu erkennen, ist das Gelbe Trikot längst zu einem Mythos geworden.
100 Jahre Maillot Jaune, wie das wohl berühmteste Trikot der Welt in Frankreich heißt, sind verknüpft mit Heldengeschichten, Tragödien, aber auch großen Skandalen. Von Eugène Christophe bis Jan Ullrich, von Eddy Merckx bis Lance Armstrong – mal leuchtete der Mann in Gelb heller, mal dunkler.
DER ERSTE: Die Idee kam vom Tour-Gründer Henri Desgrange im Jahr 1919. Etappen von bis zu 500 Kilometern Länge waren kurz nach dem Ersten Weltkrieg keine Seltenheit. Und damit die Zuschauer den Führenden der Tour in der Dunkelheit besser erblicken konnten, sollte dieser kenntlich gemacht werden. Da das Tour-Organ «L’Auto» – der Vorgänger der «L’Equipe» – ebenfalls in Gelb gedruckt wurde, war die Farbe schnell gefunden.
So erhielt Eugène Christophe am Morgen der elften Etappe am 19. Juli in Grenoble das erste Gelbe Trikot. Jener Christophe, der bereits sechs Jahre zuvor Berühmtheit erlangte, als er nach einer Pyrenäen-Abfahrt einen Gabelbruch erlitt, nach einem langen Fußmarsch in der Schmiede von Sainte-Marie-de-Campan sein Rad wieder richtete und weiterfuhr. Das gleiche Malheur passierte ihm dann auch 1919, wodurch er die Tour verlor. Seine Gelben Trikots verschliss er anschließend im Krieg, doch die erste Legende war geboren.
DER BESTE: Kein Fahrer verkörperte so sehr das Maillot Jaune wie Eddy Merckx – der Kannibale aus Woluwé-Saint-Pierre. 111 Mal beziehungsweise an 96 Tagen trug der Belgier Gelb, was bis heute unerreicht ist. Fünf Mal gewann er die Tour, das erste Mal vor genau 50 Jahren. «Das war der schönste Sieg meiner Karriere», sagte Merckx, der am Donnerstag bei der Mannschaftspräsentation auf dem Grand Place in Brüssel von seinen Landsleuten euphorisch gefeiert wurde. Merckx hat die Tour geprägt wie kaum ein anderer. Auch an seine 34 Etappensiege ist bis heute niemand herangekommen.
DER GLÜCKLICHSTE: Es war das Herzschlagfinale der Tour-Geschichte. Die ganze Rundfahrt über lieferten sich der Franzose Laurent Fignon, der Mann mit der Nickelbrille, und der Amerikaner Greg Lemond einen packenden Zweikampf. Zum Showdown kam es am letzten Tag beim Einzelzeitfahren über 24,5 Kilometer von Versailles nach Paris. Fignon hatte eigentlich einen beruhigenden Vorsprung von 50 Sekunden. Doch Lemond, der mit einem damals neuartigen Triathlon-Lenker angetreten war, machte Sekunde um Sekunde wett. Im Ziel auf den Champs Élysées hatte er schließlich acht Sekunden Vorsprung. Bei Fignon flossen die Tränen.
DER DEUTSCHE: Es war der 15. Juli 1997, als ein sympathischer Junge aus Rostock mit rotblonden Haaren und Sommersprossen im Gesicht einen nie da gewesenen Radsport-Boom in Deutschland auslöste. Jan Ullrich stürmte an jenem Tag unwiderstehlich die Rampen nach Andorra-Arcalis hinauf und streifte sich das Gelbe Trikot über. «Voilà le Patron», titelte die «L’Équipe», vom «Boris Becker des Radsports» war die Rede. Ganz Deutschland war hin und weg. Am Ende gewann Ullrich als erster und einziger Deutscher die Tour. Fortan versammelten sich jedes Jahr im Juli Millionen Menschen vor dem Fernseher und litten stundenlang mit Ullrich, wenn es die Bergriesen in den Alpen und den Pyrenäen hinaufging. Die Tour sollte Ullrich nicht mehr gewinnen, und sein Heldenstatus zerbröckelte mit jeder Doping-Schlagzeile.
DER SKANDALÖSESTE: Blickt man in die Geschichtsbücher der Tour, hat es ihn eigentlich gar nicht gegeben. Der Name Lance Armstrong existiert darin schlichtweg nicht. Seine sieben Siege von 1999 bis 2005 wurden gestrichen, als könnte das dunkelste Kapitel im Radsport einfach ausradiert werden. Vom geheilten Krebspatienten zum Tour-Rekordsieger – die Story des Texaners war einfach zu schön. Tatsächlich war alles Lug und Trug. Armstrong hat nicht nur sportlich, sondern auch in Sachen Doping Maßstäbe gesetzt. EPO, Eigenblut-Doping, Wachstumshormone – Armstrong stand für den größten Betrug der Tour-Geschichte. Am Ende wurde er lebenslang gesperrt und zur unerwünschten Person bei der Tour erklärt.
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(dpa)