Berlin – Nachdem sich die Krise des FC Bayern weiter verschärft hatte, schaute Präsident Uli Hoeneß mit zusammengepressten Lippen missmutig in den trüben Berliner Himmel.
Trotz der Rückkehr aller Topstars im Spiel eins nach der Trennung von Carlo Ancelotti vergab der Rekordmeister mit Willy Sagnol als Interimstrainer fahrlässig eine 2:0-Führung und kam bei Hertha BSC nur zu einem enttäuschenden 2:2 (1:0). Der dringend benötige Stimmungsaufheller vor der Länderspielpause blieb aus.
Die Bayern liegen nun bereits fünf Punkte hinter Bundesliga-Spitzenreiter Borussia Dortmund. Der Auftritt vor 71 212 Zuschauern war dabei keine Werbung für eine dauerhafte Beschäftigung von Sagnol als Ancelotti-Nachfolger. «Wir hatten das Spiel eigentlich unter Kontrolle, hätten höher führen müssen. Dann haben wir das Spiel aus der Hand gegeben, das darf einer Mannschaft wie wir es sind nicht passieren», sagte Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidzic.
«Es ist für uns ein Bonuspunkt. Der Anfang von uns war nicht ganz in Ordnung, aber dann haben wir uns gesteigert», sagte der Berliner Vladimir Darida beim Fernsehsender Sky.
Der von Ancelotti zuletzt verschmähte Mats Hummels (10. Minute) und Robert Lewandowski (49.) sorgten für das standesgemäße 2:0 der Münchner. Ondrej Duda (51.) und Salomon Kalou (56.) nutzten jedoch die Patzer der Bayern-Verteidigung und ließen die Berliner sogar auf den ersten Sieg seit mehr als acht Jahren gegen München hoffen. Zudem müssen die Bayern womöglich länger auf Franck Ribéry verzichten, der verletzt vom Platz musste (62.).
Im schicken dunkelblauen Anzug dirigierte Sagnol sein Team – ob er noch die Chance für eine weitere Bewährungsprobe in der Partie gegen den SC Freiburg in knapp zwei Wochen bekommt, ließ Salihamidzic vor Anpfiff noch offen. «Wir werden uns alle Zeit lassen, uns in Ruhe beraten und dann zusammen entscheiden im Sinne des FC Bayern», sagte der Sportdirektor bei Sky. Die Personalie Thomas Tuchel als naheliegendste Trainerlösung wollte er nicht weiter kommentieren.
Nach dem misslungenen Aufstellungspoker von Ancelotti bei der 0:3-Demütigung bei Paris Saint-Germain setzte Sagnol auf alle zuletzt fehlenden Stars. Das Weltmeister-Duo Jérôme Boateng und Hummels stand wieder in der Innenverteidigung, Arjen Robben und Ribéry durften wieder als Flügelzange agieren.
Nach einer druckvollen Anfangsphase mit Kopfballchancen von Ribéry und Hummels entsprang auch die verdiente frühe Bayern-Führung einer Kombination der Profis, die Ancelotti laut Präsident Uli Hoeneß gegen sich aufgebracht hatte. Robben legte zurück auf Boateng, dessen Flanke verwertete Hummels per Kopf. Neben Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nickte Hoeneß auf der Tribüne zufrieden.
Doch nur mit dem Trainerwechsel haben sich längst nicht alle Probleme der Münchner aufgelöst. Die Verteidigung präsentierte sich äußerst wacklig. Die größten Hertha-Chancen der ersten Halbzeit vergab Darida (16./33.) jeweils per Flachschuss. Zudem hatten die Berliner Pech mit einer Schiedsrichter-Entscheidung: Nach dem Studium der Videobilder nahm Harm Osmers seinen zunächst verhängten Strafstoß wegen Fouls von Javi Martínez an Darida zurück.
Statt des möglichen Ausgleichs erhöhten die Bayern. Nachdem er in der ersten Halbzeit noch zwei Großchancen ausließ, schlug Lewandowski kurz nach Pause eiskalt zu. Doch selbst das 2:0 sorgte nicht für Münchner Sicherheit. Hertha-Coach Pal Dardai hatte sein Team im Vergleich zum 0:1 in Östersund gleich auf acht Positionen umgebaut. Und das neue Personal konnte die Offensivmisere beheben.
Mit einem feinen Sololauf tanzte Genki Haraguchi bei seinem ersten Startelf-Einsatz dieser Saison Joshua Kimmich, Boateng und Hummels wie Statisten aus, seine Vorarbeit musste Duda nur über die Linie drücken. Und nur fünf Minuten später sorgte Kalou als Ersatz des rotgesperrten Kapitäns Vedad Ibisevic in der Sturmspitze für das viel umjubelte 2:2. Trotz des verpassten Siegs blieb zumindest eine Bayern-Gesetzmäßigkeit bestehen: Die Münchner sind auch im 26. Bundesligaspiel während des Oktoberfests nacheinander ungeschlagen.
Fotocredits: Michael Kappeler
(dpa)