Hannover – Trotz des Sieges pfiffen die Fans und schrien wütend ihren Ärger hinaus. 90 Minuten hatte der harte Kern der Hannover-96-Anhänger das Team angefeuert und nach Abpfiff den 2:1 (1:0)-Erfolg gegen den SC Freiburg gefeiert – doch dann kippte die Stimmung ganz plötzlich.
Pfiffe und Beschimpfungen schlugen dem siegreichen Fußball-Bundesligisten entgegen. Was war passiert? Die Fans in der Nordkurve der HDI-Arena waren offensichtlich beleidigt. Sie fühlten sich von den Spielern wohl nicht ausreichend gewürdigt. Denn die 96-Profis blieben deutlich auf Distanz. Sie gingen nicht in die Kurve mit den Ultras, die mehrere Monate ihre Unterstützung verweigert und erst am Samstag ihren Stimmungsboykott beendet hatten.
Die distanzierende Geste der Mannschaft war demonstrativ – und offensichtlich abgesprochen. «Wir haben das in den letzten Spielen auch so gemacht», sagte Kapitän Philipp Tschauner: «Deshalb haben wir gesagt, machen wir das so weiter.»
War es eine Anweisung von der Führung? «Wir haben keine E-Jugend auf dem Platz stehen, die Spieler sind alt genug und mündig», kommentierte 96-Manager Horst Heldt. Die Mannschaft habe «dasselbe Ritual gewählt wie an jedem Spieltag». Der Sportdirektor betonte: «Das ist ihre Entscheidung, und ich stehe hinter jeder Entscheidung, die die Mannschaft trifft.»
Der für Außenstehende oft skurril anmutende Streit bei Hannover 96 hat mit den wütenden Beschimpfungen der Spieler wenige Minuten nach dem Abpfiff eine neue Wendung erfahren. Derartige Pöbeleien nach Spielschluss gibt es andernorts nur für Verlierer und für Mannschaften im Abstiegskampf. Aber Hannover 96 hat gewonnen, und der Aufsteiger ist dank des Sieges gegen Freiburg mit nunmehr 31 Punkten fast schon gerettet.
Die geplante Übernahme des Bundesligisten durch den Unternehmer Martin Kind spaltet den Club und die Anhängerschaft. Eine Annäherung ist nicht in Sicht. Weil Kinds Antrag auf Ausnahmegenehmigung bei der Deutschen Fußball Liga seit Montag aus Eis liegt, hatten die Ultras – nach einer Abstimmung mit knapper Mehrheit – den Stimmungsboykott bis auf weiteres beendet. Doch die Auseinandersetzung geht nun weiter.
«Kind muss weg» schrie am Ende der aufgebrachte Anteil jener Anhänger, die sowohl beim Jubeln als auch beim Pöbeln am lautesten sind. Dabei war am Dienstag bei einem Fan-Treffen beschlossen worden, diesen Schlachtruf nicht mehr zu benutzen. Dass es mit den Ultras einen dauerhaften Kompromiss geben kann, erscheint derzeit zweifelhaft.
Ende des Monats ist eine offene Diskussion zwischen Vertretern von Fans und Clubführung geplant. Ein Pastor soll die Veranstaltung moderieren. Schon jetzt ist allerdings klar, dass die Vorbedingungen der Ultras kaum zu erfüllen sind. Bereits vor Anpfiff hatte Mananger Heldt beim TV-Sender Sky erklärt: «Wir wollen in Kommunikation mit den Fans treten und werden uns bald zusammensetzen. Es kann aber nicht so weitergehen, dass man permanent Forderungen stellt. Da muss man schon aufpassen. Ich bin aber trotzdem davon überzeugt, dass wir die Fans mitnehmen müssen.»
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(dpa)