Melbourne – Als wäre die Zeit im Tennis stehen geblieben: Roger Federer und die Williams-Schwestern sind auf ihre alten Tage noch einmal in die Australian-Open-Finals eingezogen.
Federer gewann das Schweizer Duell mit Stan Wawrinka 7:5, 6:3, 1:6, 4:6, 6:3 und greift in seinem ersten Melbourne-Endspiel seit sieben Jahren nach seiner fünften Trophäe am anderen Ende der Welt. «Ich könnte im Moment nicht glücklicher sein», sagte der gerade von einer halbjährigen Verletzungspause zurückgekehrte Federer, «nicht in meinen wildesten Träumen hätte ich daran gedacht, in Australien so weit zu kommen.»
Der 35 Jahre alte Rekordsieger bei Grand-Slam-Turnieren kann am Sonntag gegen den Bulgaren Grigor Dimitrow oder seinen langjährigen Rivalen Rafael Nadal aus Spanien zum 18. Mal eine der vier bedeutendsten Veranstaltungen gewinnen. «Es ist wahr», sagte Federer noch etwas ungläubig mit Blick Richtung Endspiel und kündigte an: «Wenn ich für weitere fünf Monate nicht laufen kann, ist das okay. Ich werde alles geben.» Nadal als Gegner wäre ihm recht: «Ich bin sein größter Fan.»
Federer sah in der hochklassigen Partie in der Rod-Laver-Arena nach dem zweiten Satz schon wie der Sieger aus und hatte die Mehrzahl der 15 000 Zuschauer am australischen Nationalfeiertag hinter sich. Wawrinka zerbrach frustriert seinen Schläger über dem linken Knie. Der aktuelle US-Open-Champion und Australien-Sieger von 2014 profierte dann aber von Fehlern Federers, steigerte sich und erzwang den Ausgleich. Wawrinka schien physisch im Vorteil, schenkte Federer aber mit einem Doppelfehler das entscheidende Break zum 4:2, kurz nachdem im Stadtzentrum ein Feuerwerk gezündet wurde. Der Jubel bei Federers Matchball nacch 3:05 Stunden war dann kaum leiser.
Gar 14 Jahre und damit so lange wie sonst niemand musste Venus Williams auf ihr zweites Endspiel beim Grand-Slam-Auftakt der Saison warten. Die 36-Jährige ist durch das 6:7 (3:7), 6:2, 6:3 im US-Duell gegen Coco Vandeweghe die älteste Finalistin der Profi-Ära in Australien. Die 35 Jahre alte Serena Williams schlug die 34-jährige Kroatin Mirjana Lucic-Baroni danach 6:2, 6:1.
Nach dem ersten Damen-Halbfinale tanzte die sonst eher introvertierte Venus Williams wie eine Eisprinzessin über den blauen Hartplatz. «Das ist mehr, als ich mir erträumt habe», sagte die fünfmalige Wimbledon- und zweimalige US-Open-Siegerin nach dem Einzug in ihr 15. Grand-Slam-Finale – das erste seit 2009 in Wimbledon. Dort verlor sie ebenso gegen Serena wie 2003 in Melbourne. 16:11 heißt es für die Jüngere im direkten Vergleich, neunmal ging es um Grand-Slam-Titel.
Stück für Stück kämpfte sich Venus Williams in den vergangenen Jahren nach einer Krankheit, die chronische Erschöpfung verursacht, wieder nach vorn, derzeit auf Platz 17 der Weltrangliste. Zum Anfang des neuen Jahres machte ihr der Ellenbogen zu schaffen. «Solange man es weiter versucht, gibt es eine Chance», sagte sie.
Serena Wiliams war erleichtert über ihren Sieg. «Es lag in meinen Händen, dieses Williams-Finale zu erzwingen. Glauben Sie es oder nicht – ich habe deswegen ein bisschen Druck verspürt, und deswegen hat sich dieser Sieg gut angefühlt», sagte sie. «Das Finale ist der größte Traum, der für uns wahr wird.»
Mit einem siebten Titel würde die Rekordsiegerin die im Achtelfinale ausgeschiedene Titelverteidigerin Angelique Kerber wieder als Weltranglisten-Erste ablösen. Zudem fehlt ihr nur noch ein Sieg zum 23. Grand-Slam-Einzeltitel – einer mehr als der bisherige Profirekord, den sich die Amerikanerin mit Steffi Graf teilt.
Fotocredits: Kin Cheung,Kin Cheung,Aaron Favila,Dita Alangkara,Aaron Favila,Dita Alangkara
(dpa)