Willingen – Es ist bisher der Winter seines Lebens. Introvertiert wie Stephan Leyhe ist, fällt er im Skisprung-Zirkus trotzdem kaum auf. Doch das stört den smarten und stets netten Athleten aus Willingen nicht.
Er nutzt die Ruhe, um sich weiter zu entwickeln. Wenn auch vorerst nur in kleinen Schritten. «Bei ihm geht es noch langsamer voran als damals bei Severin Freund», sagt Bundestrainer Werner Schuster über den 25-Jährigen. «Aber vielleicht tut sich noch etwas. Er ist ziemlich begabt.»
In seiner dritten Weltcup-Saison ist Leyhe zumindest in der erweiterten Weltspitze angekommen. «Momentan läufts», sagte er nach dem Mannschaftserfolg in Zakopane in der Vorwoche in der Sendung «Heimspiel» des Hessischen Rundfunks. «Wir sind jetzt ungefähr bei der Hälfte, 210 Weltcup-Punkte habe ich. Letztes Jahr hatte ich nach dem ganzen Winter 250 Punkte.» Sein Weg ist damit noch nicht zu Ende, glaubt jedenfalls Schuster. «Wichtig ist, dass er den Hunger entwickelt, auch im Rampenlicht zu stehen», sagt der Bundestrainer.
Dank der zwei Top-Ten-Resultate bei der Vierschanzentournee, die Leyhe als Gesamt-Achter beendete, habe sich der mittlerweile in den Schwarzwald gezogene Hesse freigesprungen. «Diesen Schub muss er mitnehmen. Er muss sich im Team nicht auf Position sechs einreihen, sondern kann ihm etwas geben», erklärt Schuster.
Das wäre gerade jetzt, wo Weltmeister Freund wegen eines Kreuzbandrisses ausfällt, wichtig. Leyhes Chancen auf einen Einsatz bei der Weltmeisterschaft in drei Wochen stehen gut. Im finnischen Lahti wird es auch oder vor allem auf ihn ankommen, wollen die DSV-Adler eine Team-Medaille holen.
Bei der WM 2015 verfolgte Leyhe die Titelkämpfe noch als Zuschauer. Bei der Skiflug-WM im vergangenen Jahr zeigte er dann, dass man sich auf ihn verlassen kann. Beim Gewinn der Silbermedaille im Mannschaftswettbewerb überzeugte Leyhe mit einer guten Vorstellung.
Und auch in dieser Saison springt Leyhe stark. Warum, kann er selbst nicht beantworten. Er mache eigentlich nicht viel anders. Vielleicht liegt es an der neuen Leichtigkeit, mit der er seine Sprünge absolviert. «Ich bin relativ locker momentan. Ich mache mir keinen Druck, den machen schon andere genug», sagt Leyhe.
Diese entspannte Herangehensweise will er beibehalten und vor den Augen seiner Familie auf seiner Heimschanze in Willingen erneut angreifen. «Wenn ich die Top Ten schaffe, wäre das sensationell», erklärt Leyhe. Das würde sich auch finanziell weiter auszahlen. 28 500 Schweizer Franken hat er in dieser Saison bereits verdient.
In der Weltcup-Szene genießt Leyhe, der über eine sehr gute Sprungtechnik verfügt, mittlerweile volle Anerkennung. «Er springt blitzsauber, manchmal aber auch zu brav. Da hat er dann den Schwerpunkt ein bisschen zu weit hinten», sagt Schuster. «Aber er fängt an, mehr an sich zu glauben und wird offensiver.»
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(dpa)