Königssee – Hightech gegen Handarbeit: Der technologische Wettstreit im Eiskanal ist ein Jahr vor den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang in vollem Gange.
Dabei arbeiten große Namen wie Ferrari, BMW und nun auch Hyundai für Südkorea mit millionenschweren Mitteln und hochmodernen Windkanälen gegen Ein-Mann-Unternehmen wie die Österreicher Wolfgang Stampfer oder Hannes Wallner. Und dann gibt es noch exquisite Schlittenhersteller wie das staatlich geförderte Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten in Berlin (FES), die niederländische Firma Eurotech Viking Engineering oder die lettischen Tüftler aus Riga mit ihren BTC-Schlitten.
«Da ist alles eng zusammengerückt. Wenn mal einer was besseres gefunden hat, dann findet der andere wieder etwas», erklärte der viermalige Zweierbob-Weltmeister Francesco Friedrich. «So werden alle Schlittenbauer ein bisschen besser und es wird immer enger.»
Er hat seit diesem Winter eine komfortable Ausgangsposition. Friedrich kann zwischen FES-Bobs und Wallner-Schlitten wählen und testet diese gegeneinander aus. Mit Erfolg, denn seinen EM-Titel in Winterberg holte er im FES-Schlitten, seinen vierten WM-Sieg in Serie mit einem Wallner-Zweierbob, der sogar auf FES-Kufen fuhr.
Cheftrainer René Spies weiß um die Geheimnisse der Kufenszene. «Keiner will sich in die Karten schauen lassen. Daher mieten wir immer zwei Garagen an», erklärte der ehemalige Weltklassepilot. Oft ist er auch als Diplomat gefragt, denn der Konkurrenzkampf in der Eisrinne ist auch ein «knallhartes Geschäft», wie der Südtiroler Wallner betont.
Er verlieh 2009 zunächst seine Schlitten an die Russen. Da noch wenig Geld beim Olympia-Ausrichter 2014 in Sotschi vorhanden war, bekam er den Exklusiv-Vertrag erst zwei Jahre später. Die Zusammenarbeit passte, Alexander Subkow holte in Sotschi olympisches Doppelgold. Die Deutschen gingen damals erstmals seit 50 Jahren leer aus.
«Wenn man derart besessen ist von etwas, dann schaltet man auch in der Nacht nicht ab», meinte Wallner. Er macht alles ohne Computer. «Bei Neuigkeiten mache ich Handskizzen», meinte der gelernte Maschinenbauer, der früher selbst an den Lenkseilen saß. Seine Bobs waren plötzlich international gefragt. Doch ein großer Schlitten kostet auf Weltklasseniveau über 100 000 Euro.
Johannes Lochner fand einen privaten Gönner, der ihm so ein Gerät hinstellte: «Ich kann ihn genau auf dem Punkt fahren. Ich weiß genau, wie ich ihn lenken kann, ohne dass die Vorderkufen schieben», sagte der Bayer, der prompt seinen ersten EM-Titel im Viererbob gewann.
Welcher Schlitten bei Olympia gefahren wird, ist noch offen. Daher reist der deutsche Verband im März mit einer «Monsterflotte» zur Internationalen Trainingswoche und zum Weltcupfinale nach Pyeongchang. «Da werden alle Prototypen und Varianten gegeneinander getestet. Nach einer intensiven Analyse in der Heimat müssen sich die Piloten dann für einen Schlitten entscheiden», betonte Spies.
Die Frauen kommen derzeit besser mit dem FES-Material klar, bei den Männern gibt es vermehrt Tendenzen zu Wallner. Den FES-Tüftlern bescheinigte Spies aber eine hervorragende Arbeit. Ein erster Fingerzeig wird die Viererbob-WM am Wochenende werden, bei der Nico Walther mit neuen Komponenten von FES unterwegs ist. «Wir haben da alles reingesteckt. Mal sehen, ob unser Schlitten schneller ist als Wallner. Wir sind halt den anderen Weg gegangen, der jetzt nicht kurzfristig der beste ist, sondern langfristig», betonte Walther.
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(dpa)