Jena – Olympiasieg, deutscher Rekord, Riesen-Ehrgeiz und ein großes Ziel: Für Speerwurf-Ass Thomas Röhler sollen die magischen 100 Meter kein ewiger Traum bleiben.
«Dies ist die Herausforderung für die nächsten Jahre. Klar, klingt es leicht verrückt», sagte der Thüringer der Deutschen Presse-Agentur. «Es ist aber auch ein schönes Ziel, das man im Kopf haben kann – herauszufinden, ob ein Mensch das packt. Und ich begebe mich auf die Reise.»
Mit seinem Rekord von 93,90 Metern hat der 25-Jährige Anfang Mai in Doha/Katar eine neue Stufe gezündet. In jedem Jahr mit seinem Trainer Harro Schwuchow konnte sich Röhler verbessern. Viele trauen dem schnellkräftigen Modellathleten die «100» zu, bis zum 21 Jahre alten Weltrekord des Tschechen Jan Zelezny (98,48 Meter) fehlen Röhler knapp zwei Speerlängen. «Von der Sache her klingen die 100 Meter wie die totale physikalische Grenze. Aber da gibt es kein Limit», meint der Rio-Olympiasieger. «Es gibt nur die Kräfte, die wir da reinhauen.»
Röhler ist Perfektionist – aber auch Realist. Der gebürtige Jenenser will sich nicht auf Träume versteifen. «Sonst klappt das nicht und es geht die Leichtigkeit verloren», sagt der fünfmalige deutsche Meister vom LC Jena. Schritt für Schritt zum nächsten Ziel – und keine Luftschlösser bauen. Zelezny war 29, als er 1996 im Jenaer Ernst-Abbe-Stadion seinen noch heute gültigen Weltrekord warf, Röhler ist erst 25. «Aber ich bleibe streng dabei, dass ich die Rekorde nicht der Rekorde wegen jage», betont er. «Irgendwann wird es in diese Richtung gehen – aber dann braucht man natürlich diesen perfekten Tag.»
Der frühere Weltrekordler Uwe Hohn traut Röhler die 100 Meter zu. «Wenn Thomas gesund bleibt, ist das ein realistisches Ziel. Er ist ja in einem Alter, wo man sich noch steigern kann und noch lernt», sagt Hohn der dpa. Er muss es wissen: Am 20. Juli 1984 schockt Hohn die Sportwelt mit dem ersten und einzigen 100-Meter-Speerwurf der Leichtathletik-Geschichte. Für die unglaublichen 104,80 Meter gibt es beim Olympischen Tag im Ostberliner Jahn-Sportpark nicht mal eine Anzeigetafel. Dafür kommt am 1. April 1986 eine neue Rekordliste.
«Der Thomas ist ein großes Naturtalent», meint Petra Felke, die Speerwurf-Olympiasiegerin von 1988, «aber auch ein großes Vorbild. Er lässt sich beim Training nie hängen.» Was ihn so besonders macht? «Er hat eine wahnsinnige Schnellkraft und diese Dynamik in den Beinen.» Aber das allein reicht nicht, weiß die 57-Jährige aus Erfahrung. «Du musst deinen Sport schon lieben», sagt Felke, die eine Nachwuchsgruppe trainiert. «Und du musst ein bisschen verrückt sein.»
Am 12. August will Olympiasieger Röhler in London auch Weltmeister werden. Schwuchows Schützling hat im WM-Jahr bisher drei Wettkämpfe bestritten, der nächste ist sein Heimspiel: Für das Internationale Speerwurfmeeting am 11. Juni auf der Oberaue ist er praktisch der Cheforganisator. Und der Publikumsliebling. Und Favorit.
Als Student der Wirtschaftswissenschaften will er «so viel Wissen wie möglich generieren», als Athlet ist Röhler ein Einzelunternehmer. Denn «nur der Sport – das ist ein Risiko, da hängt so viel von der Gesundheit ab. Da brauchst du finanziell eine zweite Basis.»
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(dpa)