Paris – Auf einmal war Simona Halep allein. Und das Schlimmste: Sie hatte sich die Einsamkeit selbst eingebrockt.
Weil sie sich beim Tennis-Turnier in Miami (mal wieder) nicht genügend gegen eine Niederlage gestemmt hatte, ließ sie ihr Trainer Darren Cahill einfach sitzen. «Es war wie ein Schock für mich», berichtete Halep dieser Tage in Paris. «Ich dachte, ich hätte meinen Coach verloren.»
Doch bei den French Open, bei denen Halep am Samstag (15.00 Uhr) gegen die 20 Jahre alte Lettin Jelena Ostapenko um den Titel und Platz eins der Weltrangliste spielt, sitzt Cahill längst wieder in Haleps Box. Der Australier zählt zu den renommiertesten Trainern im Tennis-Zirkus, hat unter anderem überaus erfolgreich mit Lleyton Hewitt und Andre Agassi gearbeitet. Auch Andy Murray und Ana Ivanovic zählten zu seinen Schützlingen.
Cahills Strafaktion hatte natürlich Kalkül. «Danach wusste ich, dass ich mein Verhalten ändern musste», sagte Halep. «Er hat sich nie über mein Spiel oder meinen Einsatz im Training beklagt, nur über mein Benehmen auf dem Platz», sagte die Rumänin, die sich die plötzliche Abwesenheit von Cahill zu Herzen nahm. In Stuttgart erreichte sie danach das Halbfinale, in Madrid holte sie den Titel.
Im Endspiel verlor sie gegen die Französin Kristina Mladenovic nach gewonnenem ersten Satz den zweiten Durchgang im Tiebreak. Doch anders als früher blieb sie ruhig und drehte das Match. Auf der Tribüne: Darren Cahill, der die Wandlung seiner Spielerin zufrieden zur Kenntnis nahm.
«Nach Stuttgart habe ich ihn gefragt, ob er wieder mit mir arbeiten will. Er hat ja gesagt, weil ihm gefallen hat, wie ich mich auf dem Platz gegeben habe», sagte Halep. Inzwischen kann sie über die Sache lachen, auf die sie in Paris praktisch in jeder Pressekonferenz angesprochen wird. «Heute rede ich nicht über meinen Coach, ich bin müde», sagte die 25-Jährige nach ihrem Viertelfinalsieg gegen Jelina Switolina, bei dem sie im zweiten Satz einen 1:5-Rückstand wettmachte und einen Matchball abwehrte.
Auch im Halbfinale gegen die Tschechin Karolina Pliskova zeigte sie Kämpferqualitäten und steckte den Verlust des zweiten Satzes weg. Nun steht sie zum zweiten Mal im Finale von Paris und vor dem bislang größten Triumph ihrer Karriere. Denn obwohl Halep seit Jahren zur Weltspitze gehört, hat sie noch keines der vier Grand-Slam-Turniere gewonnen. Ein Erfolg am Samstag würde sie auch zur Nummer eins der Welt machen, Halep würde dann Angelique Kerber ablösen. Die Kielern war in Paris bereits in der ersten Runde gescheitert.
Doch um diesen Doppel-Coup zu erreichen, wird sich Halep noch ein weiteres Mal in ihrer geläuterten Version präsentieren müssen. Denn ihre Finalgegnerin Ostapenko erlebt einen sensationellen Lauf. Als erste ungesetzte Spielerin seit 34 Jahren steht sie in Paris im Finale. Mit ihrer aggressiven und unbekümmerten Spielweise hat sie sich längst in die Herzen der französischen Tennisfans gespielt. «Sie spielt Bälle, da denkst du, wer macht so was?», sagte die Schweizerin Timea Bacsinszky nach ihrer Halbfinal-Niederlage gegen die Lettin.
Auch gegen Halep will Ostapenko daran nichts ändern. «Ich will es einfach genießen.» Ihren 20. Geburtstag verbrachte sie am Donnerstag mit Freunden und der Familie. Dass ihre Erfolge längst auch in der Heimat wahrgenommen werden, dokumentierte ein Anruf bei ihrer Mutter. «Der lettische Präsident hat sich gemeldet», berichtete Ostapenko am Freitag nicht ohne Stolz. Und fügte in ihrer ab und zu noch kindlichen Art mit einem Lachen hinzu: «Natürlich ist er ein guter Präsident.»
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(dpa)