London – Noch einmal 100 Meter, die allerletzten. Keine 50 Schritte mehr, dann ist alles vorbei. Megastar Usain Bolt verabschiedet sich, der sprintende Mulimillionär wird zum Sportpensionär.
Und wenn es wieder perfekt läuft für Jamaikas Staffelflitzer, dann geht am Samstagabend eine schillernde Leichtathletik-Karriere sogar mit einem Goldlauf zu Ende. Mit seinem zwölften WM-Titel will der schnellste Mann der Welt nach dem Finale über 4×100 Meter abtreten. Das Drehbuch wäre perfekt, und nicht nur Elton John wusste ja schon: «Saturday night’s alright for fighting».
Bolt wird seine Kumpels nicht im Stich lassen, und die Vorzeichen für eine zünftige Abschieds-Party stehen gut: Viermal in Serie, von 2009 bis 2015, haben die flotten Jungs von der Karibikinsel die kurze Sprintstaffel gewonnen.
Bei allen Goldmissionen war Bolt im Finale dabei – aber nie im Vorlauf. Das soll sich bei der Leichtathletik-WM in London ändern. Ein zusätzlicher Start dürfte für den 30-Jährigen kein Problem sein: Zwischen Vorlauf (12.50 MESZ/ZDF und Eurosport) und dem Finale liegen zehn Stunden.
«Ich will das alles noch einmal genießen», hatte Bolt nach seinem letzten 100-Meter-Rennen gesagt, in dem er Dritter wurde. Egal, wie die Staffel rennt – ein emotionaler Abschied wird es allemal. Vielleicht läuft die Karriere vor seinen Augen dann noch einmal ab wie im Film, vielleicht in 9,58 Sekunden – wie bei seinem fantastischen Weltrekord 2009 in Berlin, der nun schon acht Jahre hält.
Bolt hat sich acht olympische Goldmedaillen verdient, er war elfmal Weltmeister, rannte fünf Weltrekorde. Und wenn er neun Tage nach dem Staffelrennen 31 Jahre alt wird, dann lässt er seine Karriere vielleicht noch einmal Revue passieren.
Am Anfang war eine Wette. Da war Usain erst zwölf, er stritt sich mit seinem besten Freund Ricardo, wer wohl der beste Läufer sei. Dies hörte zufällig der Pfarrer des Ortes – und Reverend Nugent machte den Boys ein Angebot: Der Schnellste bekommt ein Mittagessen spendiert. Bolt gewann, wer sonst? Der Kirchenmann beschwor den Sieger: «Wenn du Ricardo schlagen kannst, dann kannst du jeden schlagen.» Er sollte Recht behalten.
Schon zwei Jahre später, mit 14, bestreitet der schlaksige, aber kräftige Usain seinen ersten Wettkampf: Am 7. April 2001, bei den Highschool-Meisterschaften in Kingston: die 200 Meter spult er in beachtlichen 22,04 Sekunden ab. 2002 gewinnt Bolt als 15-Jähriger das Rennen auf seiner späteren Lieblingsstrecke in 20,61 und kürt sich zum jüngsten Junioren-Weltmeister der Leichtathletik-Historie. Noch heute schwärmt er von diesem so emotionalen Heimsieg in Kingston.
Gut 15 Jahre später ist Usain St. Leo Bolt einer der bekanntesten Menschen auf diesem Planeten. Und ein Jahrhundertsportler wie Muhammad Ali. Rund 4,8 Millionen Follower hat er auf Twitter, 18,8 Millionen folgen ihm auf Facebook, 7,4 Millionen bei Instagram.
Nach seinem 200-Meter-Triumph bei den Olympischen Spielen 2012 in London verkündete er wie ein Pfarrer von der Kanzel: «Ich bin jetzt eine Legende. Ich bin außerdem der großartigste lebende Athlet.»
Nun wird er Zeit brauchen, um alles sacken zu lassen, der Entertainer muss sich umstellen, aber er kann das neue Leben genießen. Viele werden den Weltbürger und seine berühmte Siegerpose vermissen – und Sebastian Coe Recht geben. Der Chef des Weltverbandes IAAF sagte nur: «Ich bin traurig, dass er geht.»
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(dpa)