London – Wer als Hochspringerin der Schwerkraft trotzen will, darf nicht zu viel wiegen. «Ich muss nicht hungern und bin nicht extrem dünn», versicherte Medaillenkandidatin Marie-Laurence Jungfleisch. Bei der Leichtathletik-WM in London steht sie am Samstag im Finale.
«Man muss aber auch schauen, dass man nicht zu wenig wiegt, um keine Kraft zu verlieren. Man muss die Balance finden.» Im Hochsprung ist das Körpergewicht eine Wissenschaft für sich. Deshalb hat die Neu-Stuttgarterin seit März eine Ernährungsberaterin, die ihr dabei hilft. «Ich kann normal essen, auch wenn ich auf manches verzichten muss, aber hungern muss ich nicht», bekräftigte die Höhenjägerin mit Model-Figur. «Das wäre auch nicht meins.» Sie esse weniger Kohlehydrate, nehme aber fünf Mahlzeiten am Tag ein. Laut der deutschen WM-Teambroschüre wiegt sie bei einer Körperlänge von 1,81 Metern 68 Kilogramm.
Für die in Paris geborene Tochter eines Vaters von der Karibikinsel Martinique ist die Suche nach dem Idealgewicht ein Baustein, um nach Platz sieben bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio und Rang sechs bei der WM 2015 in Peking endlich eine Medaille zu gewinnen – und mal wieder zwei Meter hoch zu springen. Dies ist ihr im Juli 2016 in Eberstadt erstmals gelungen. «Es ist eine Schallmauer. Ich hoffe, diese Höhe wieder springen zu können», sagte Jungfleisch. «Ich kann das auch. Nur wann, ist die Frage.»
Am liebsten bei der WM an der Themse. «Ich will eine Medaille holen», kündigte sie couragiert an. «Vielleicht muss man die zwei Meter nicht springen.» Dass Maria Lasizkene, die nach dem russischen Doping-Skandal als neutrale Athleten antreten muss, in dieser Saison 13 Mal zwei Meter überquert hat, minimiert ihr Selbstbewusstsein nicht: «Ich versuche dennoch zu gewinnen.» Gefragt, was sie von der russischen Überfliegerin («Krasses Niveau») mit dem Ex-Namen Kutschina hält, antwortete Jungfleisch vielsagend: «Darüber möchte ich nicht reden.»
In der Qualifikation am Donnerstag wären die 1,92 Meter nach zwei Fehlversuchen fast ihre WM-Endstation gewesen. Wegen Sehnenproblemen konnte sie nur eingeschränkt die Technik trainieren und hatte dadurch Schwierigkeiten beim Anlauf. «Es war sehr knapp. Man hat aber gesehen, dass es doch funktioniert», sagte die 26-Jährige, die mit Schmerzmitteln an den Start ging. Und sie fügte im Scherz hinzu: «Ich habe ja Routine genug.»
Die ausgebildete Erzieherin ist seit 2013 bei der Bundeswehr, trägt den Dienstgrad Unteroffizier und kann unter Profibedingungen den Sport betreiben. Bis zu den Sommerspielen 2020 in Tokio will sie mindestens weitermachen. Ein Olympia-Start 2024 in ihrer Geburtsstadt Paris hätte aber auch einen Reiz. «Vielleicht. Ich bin recht verletzungsfrei – und noch jung», sagte Jungfleisch.
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(dpa)