Leichtathletik

«Eine komplett andere Pam»: Dutkiewicz flitzt zu WM-Bronze

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London – Wer Pamela Dutkiewicz bei der Leichtathletik-WM über die Hürden flitzen sah, konnte nicht glauben, dass sie vor gut zwei Jahren noch darunter gelitten hat, «die Pummelige» genannt zu werden. Man habe sie immer wieder auf die Waage gestellt.

«Für mich war das eine absolute Erniedrigung. Es war mir peinlich. Naja, du konntest ja auch nicht schneller laufen, du bist ja zu schwer, hieß es dann immer.» Im März dokumentierte die Wattenscheiderin ihren Leidensweg im Internet-Portal wortathleten.de. Am Samstagabend rannte die 25-Jährige in London zu Bronze – und war völlig aus dem Häuschen.

In 12,72 Sekunden kam die deutsche Meisterin über 100 Meter Hürden als Dritte ins Ziel. «Ich war wie im Flow. Ich bin kurz aufgewacht und habe gedacht: du bist vorne. Ich kann das nicht glauben! Ich kann das nicht glauben!», sagte die fassungslose Dutkiewicz.

Weltmeisterin wurde die Australierin Sally Pearson, die fünf Jahre nach ihrem Triumph im Olympiastadion in 12,59 Sekunden ihren zweiten Titel nach 2011 holte. Auf den Silberrang lief die Amerikanerin Dawn Harper Nelson in 12,63 Sekunden. «Ich habe Sally Pearson schon als kleines Mädchen bewundert», sagte Dutkiewicz, deren Karriere in diesem Jahr richtig Fahrt aufgenommen hat.

Angefangen hat es mit Platz drei bei der Hallen-EM im März. Es folgten erste Plätze bei der Team-EM und beim Diamond-League-

Meeting in Oslo. «Es lief alles wie am Schnürchen», sagte Dutkiewicz. «An eine Medaille habe ich nicht gedacht. Ich war schon glücklich, hier im Finale zu sein.» Bei den Olympischen Spielen 2016 schied sie im Halbfinale aus, zuvor war sie im EM-Endlauf in Amsterdam gestürzt.

Dutkiewicz galt schon lange als großes Talent und war 2010 die drittbeste U20-Athletin der Welt. 2015 knickte sie bei den Hallen-Meisterschaften in Karlsruhe im Zielauslauf unglücklich um – alle Bänder in beiden Sprunggelenken waren gerissen.

«Ich erinnere mich an ein Bild, wie ich auf der Bahn liege, wie viele Kilos da zu viel liegen…», schrieb sie später über jene Situation. «Das hat sich in meinen Kopf gebrannt. Aber das war mein Segen – weil ich endlich Zeit hatte.» Dutkiewicz ließ sich medizinisch untersuchen und fand nach einigen Fehlschlägen jemanden, der ihr helfen konnte: der früheren Weltklasseschwimmer und Arzt Mark Warnecke und Ernährungswissenschaftler Jörn Heinze. Dessen Aussage blieb bei ihr haften: «Du hast dich einfach gemästet.»

Sie reduzierte das Essen von fünf auf drei Mahlzeiten pro Tag. Zehn Kilo nahm die Lehramtsstudentin innerhalb weniger Monate ab. Endlich musste sie sich nicht mehr verrückt machen, ob sie in den knappen Leichtathletik-Outfits zu dick aussah.

«Ich habe nie gedacht, dass man bei meinem Körper mal Bauchmuskeln sehen würde. Endlich bin ich selbstbewusst, wenn ich auf der Bahn stehe», erklärte sie in ihrem Internet-Beitrag. Der «Frankfurter Allgemeine Zeitung» sagte sie kürzlich: «Ich habe das alles noch gar nicht realisiert, aber es ist verrückt, was in meinem Körper steckt.» Sogar ein 12,61-Sekunden-Hürdensprint wie Ende Mai in Weinheim – und ein dritter Platz unter den Besten der Welt.

Dutkiewicz war mit ihren Ängsten und Erfahrungen vor allem deshalb an die Öffentlichkeit gegangen, weil sie glaubt, «dass viele Leute, viele Mädels, ein ähnliches Problem haben. Und jetzt steht da halt eine komplett andere Pam als noch vor ein paar Jahren – der Kampf dafür ging lange: ganze neun Jahre.»

Fotocredits: Martin Meissner
(dpa)

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