Frankfurt/Main – Bereits zehn Jahre lang hat Bibiana Steinhaus in der 2. Liga gepfiffen, bei ihrer Premiere im Fußball-Oberhaus aber steht die 38 Jahre alte Schiedsrichterin unter besonderer Beobachtung.
«Ob das nun historisch ist, sollen andere beurteilen», sagte Steinhaus der «Bild»-Zeitung. Große Macho-Sprüche der Profi-Spieler und Trainer blieben aus. Gastgeber Hertha nutzt das Debüt von Steinhaus aber gleich mal für eine PR-Aktion, die suggerieren könnte, dass Frauen tatsächlich wegen einer Schiedsrichterin und nicht wegen der Partie gegen Werder Bremen ins Olympiastadion kommen.
Die ersten 250 Besucherinnen des Hertha-Spiels zahlen einen um 50 Prozent ermäßigten Eintrittspreis. Die Berliner rechnen mit 50 000 Zuschauern. Hertha-Trainer Pal Dardai freut sich auf die Premiere der Unparteiischen: «Sie hat es verdient, sie hat fehlerfrei gepfiffen».
Steinhaus selbst weiß genau, dass sie bei diesem Spiel erstmal im Mittelpunkt stehen – und je nach Spielverlauf auch besonders kritisch gesehen wird. «Einerseits ist es nur ein weiteres Spiel, das ich gut leiten möchte. Andererseits ist es nunmehr die Bundesliga und die Tatsache, dass ich die erste Schiedsrichterin bin, macht es vor allem für die Öffentlichkeit doch zu einer nicht normalen Partie», erklärte die Polizistin.
Steinhaus ist allerdings nicht die erste Frau, die in Europa ein Erstliga-Spiel pfeift. Nicole Petignat war zwischen 1999 und 2008 Unparteiische in der ersten Schweizer Liga und kam sogar im UEFA-Cup zum Einsatz. «Sie hat hervorragende Leistungen gebracht und hätte schon viel früher aufsteigen müssen», sagte Petignat in einem Interview der «Fußball-Bild» über ihre Kollegin. «Aber Deutschlands Schiri-Bosse waren gegen Frauen, waren gegen sie. Die Chefs haben Vorbehalte, sind vielleicht sogar eifersüchtig.»
Steinhaus, deren Lebensgefährte der frühere englischen Spitzen-Referees Howard Webb ist, war im Mai in den Kreis der 24 Bundesliga-Referees befördert worden. «Ich hörte die Worte, allein der Glaube brauchte einen Moment, um zu sacken», erinnerte sie sich an diesen lange ersehnten Moment. Die Reaktionen im Anschluss seien dann «überwiegend positiv» gewesen.
Steinhaus hatte sich in 80 Zweitliga-Partien, bei den Frauen-Weltmeisterschaften 2011 und 2015 sowie bei Olympia 2012 empfohlen. Und mit ihrer Gelassenheit, zum Beispiel als Vierte Offizielle am Spielfeldrand, wenn die Trainer mal wieder um sie herumtobten. Souveränität bewies sie zuletzt, als Franck Ribéry beim Pokalspiel des FC Bayern in Chemnitz ihr die Schnürsenkel aufzupfte. Der freche Franzose hatte Glück und kam ohne Verwarnung davon.
«Wir sind es von zu Hause gewohnt, nach der Pfeife einer Frau zu tanzen», scherzte Bremens Trainer Alexander Nouri vor dem Steinhaus-Debüt. «Im Ernst: Sie hat sich das verdient. Durch sehr gute Leistungen – und das ist am Ende entscheidend.» Hoffenheims Trainer Julian Nagelmann freut sich über Steinhaus‘ Aufstieg: «Das Geschlecht an sich ist ja kein Qualitäts-Merkmal. Auch wenn wir Männer manchmal beim Autofahren hoffen, dass es so ist.»
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(dpa)