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Sorglos und nachlässig: FC Bayern stolpert in Sinsheim

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Sinsheim – Julian Nagelsmann wird irgendwann einmal neuer Trainer des FC Bayern München. Wer an dieses Szenario glaubt, hat seit dem Wochenende wieder ein paar mehr Argumente an der Hand. Der deutsche Meister verlor schon wieder gegen Nagelsmanns TSG 1899 Hoffenheim – diesmal mit 0:2 (0:1).

Kurz vor dem ersten Champions-League-Spiel der Saison gegen den RSC Anderlecht (Dienstag, 20.45 Uhr) gaben die Bayern ein Gesamtbild ab, das sich mit ihren hohen Ansprüchen kaum vereinbaren lässt. Eine Niederlage in den ersten drei Bundesliga-Spielen – das gab es zuletzt 2011.

Die Nachlässigkeit dieses Auftritts – so etwas glaubte man eigentlich, längst hinter sich zu haben. Und dann war da noch Robert Lewandowski, der dem Magazin «Der Spiegel» ein beachtliches Interview gab – und sich in den Punkten Transferpolitik und Haltung zum modernen Fußball quer zur Linie seines Vereins legte. «So etwas passiert, das ist kein Beinbruch», sagte Nationalspieler Mats Hummels zur Lage des Vereins. «Vorausgesetzt, dass wir am besten mit zwei Heimsiegen gegen Anderlecht und Mainz die richtige Reaktion zeigen.»

Der einzige, der sich weder von so einem 0:2 noch von dem Geraune über Nagelsmann aus der Ruhe bringen lässt, ist der aktuelle Bayern- Coach. Carlo Ancelotti ließ nach dem Spiel sogar ein gemeinsames Foto von sich und seinem 28 Jahre jüngeren Kollegen zu. «Natürlich sind wir enttäuscht», sagte der Italiener nonchalant. «Aber die Leistung des Teams war nicht so schlecht, wie es das Ergebnis aussagt.»

Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Selbst Joshua Kimmich sagte dem ZDF hinterher: «Das war absolut zu wenig von uns. In den nächsten Wochen müssen wir noch einige Schippen drauflegen.»

Es war wieder einer dieser uninspirierten Münchener Auftritte, die man sich unter deutlich pedantischeren Trainern wie dem früheren Bayern-Coach Pep Guardiola oder selbst Nagelsmann nur schwer vorstellen könnte. Die Bayern waren klar überlegen, aber sie spielten sich kaum klare Torchancen heraus. Und sie verließen sich vor dem ersten von zwei Toren durch Mark Uth (27./51. Minute) darauf, dass der Schiedsrichter schon abpfeifen würde, weil irgendwo in 80 Metern Entfernung noch ein zweiter Ball über das Spielfeld kullerte. Einfach weiterzuspielen und entschlossen nachzusetzen, kam insbesondere den Verteidigern Hummels und Javi Martinez nicht in den Sinn.

Die Fragen sind die gleichen wie vor einem Jahr. Können sich die Bayern weiter solche Auftritte leisten und am Ende trotzdem locker deutscher Meister werden? Und vor allem: Reichen Qualität und innere Spannung dieses Teams aus, um endlich wieder die Champions League zu gewinnen? Dass es ihm vor allem um diesen Titel geht, stellte Lewandowski in seinem Interview auch klar. Interessant ist aber vor allem, was der Stürmer über die Vereinspolitik des FC Bayern denkt.

«Man ist in den vergangenen Jahren nicht so mit dem Markt gewachsen wie Real Madrid oder Manchester United», sagte er dem «Spiegel». Solche Clubs würden deutlich mehr investieren. Die Bayern müssten sich «etwas einfallen lassen und kreativ sein, wenn der Verein weiter Weltklassespieler nach München lotsen will. Und wenn man ganz vorn mitspielen will, braucht man die Qualität dieser Spieler.»

Die Bayern-Bosse haben in den vergangenen Wochen immer das Gegenteil von dem erzählt. Uli Hoeneß wetterte gern über den «Transferwahnsinn und die Gehaltsexplosionen» bei ausländischen Clubs. Und Karl-Heinz Rummenigge forderte Politik und Verbände dazu auf, genau das zu regulieren, was Lewandowski «Kapitalismus pur» nennt und für einen folgerichtigen Lauf der Dinge hält. Kurz vor dem Beginn der Champions-League-Saison wirft der beste Stürmer seinem Verein also vor, zu wenig für den größtmöglichen Erfolg zu tun. Das Spiel in Hoffenheim dürfte ihn kaum vom Gegenteil überzeugt haben.

Fotocredits: Uwe Anspach
(dpa)

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