Wolfsburg – Die Mannschaft des Gegners kennt Martin Schmidt besser als sein eigenes Team. Der neue Trainer des VfL Wolfsburg tritt am Samstag (15.30 Uhr) gegen seinen Ex-Club, den FSV Mainz 05, an.
Dessen Spieler kenne er «sehr gut», bis auf die Neuzugänge, und 05-Trainer Sandro Schwarz sei ein «enger Freund». Vom Team der Niedersachsen hat er nur erste Eindrücke, nur ein paar Tage hatte er bislang gemeinsam mit dem Kader.
Die Einarbeitung des 50 Jahre alten Schweizers beim VfL war rasant: Nach dem vierten Spieltag entschied der Club, dass Trainer Andries Jonker ausgewechselt werden müsse. Am Montag der vergangenen Woche trat Schmitt an, am Dienstag spielte Wolfsburg gegen Bremen (1:1) und drei Tage später in München gegen die Bayern.
Das überraschende 2:2 gegen den Rekordmeister hat für Hoffnung gesorgt: Der gelernte Automechaniker Schmidt könnte den ehrgeizigen VW-Club tatsächlich so anpacken, dass es dort endlich wieder surrt.
Denn gleichmäßig und geräuscharm ging es in Wolfsburg zuletzt überhaupt nicht zu: Spieler kamen und gingen, fast wäre der finanziell üppig ausgestattete Club in die 2. Liga abgestiegen. Binnen eines Jahres verschlissen die Niedersachsen drei Trainer.
Nun aber soll es Schmidt schaffen, der Ex-Mainzer. Der Auftrag des Coaches ist es, im Wolfsburger Team Leidenschaft und Begeisterung zu wecken. Aus einer Gruppe talentierter Akteure soll eine schlagfähige Truppe entstehen. Auf dem Platz ist Schmidts Ansatz, kompakt zu verteidigen und dann blitzartig umzuschalten. Dabei vertraute er in den ersten Partien auch auf den Ex-Mainzer Offensivspieler Yunus Malli, den Jonker zuletzt kaum noch eingesetzt hatte.
Was der Coach über das Bundesligageschäft weiß, das hat er bei den Rheinhessen gelernt. Dorthin wurde er vor sieben Jahren von Thomas Tuchel gelotst. Der damalige Mainzer Trainer lernte Schmidt während eines Nachwuchs-Turniers kennen und empfahl ihn.
In der Stadt am Rhein durfte Schmidt dann die U23-Mannschaft trainieren. Als im Februar 2015 der Mainzer Tuchel-Nachfolger Kasper Hjulmand gehen musste, beförderte ihn der Club. Plötzlich war Schmidt Bundesliga-Trainer.
Vor seinen Mainzer Jahren hatte er eine unauffällig Fußball-Vita: In der Schweiz hatte er in der 2. Liga und im Nachwuchsbereich gecoacht, bis zuletzt arbeitete er dort parallel, um genügend Geld zu verdienen. Eine ruhmreiche Spieler-Karriere gelang ihm – auch wegen sieben Kreuzbandrissen – nicht.
Schmidts Zeit im Südwesten endete nach der vergangenen Saison. Es war eine schwierige Spielzeit, die Mainz punktgleich mit dem VfL auf Rang 15 abschloss.
Sentimentalität strahlt Schmidt angesichts des Wiedersehens aber nicht aus. Er habe Abstand gewonnen, seine Wohnung in Mainz sei aufgelöst, erzählt er. Um in Erinnerungen zu schwelgen, habe er wegen der vielen Arbeit keine Zeit, betont der Coach. Der Job beim VfL sei so intensiv, dass ihm abends häufig auffalle, den ganzen Tag noch nichts gegessen zu haben. Immerhin kennt er inzwischen sein ganzes Team.
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(dpa)