Leverkusen (dpa) – Am Samstag kann Heiko Herrlich seiner alten Liebe richtig weh tun. Ausgerechnet der Trainer von Bayer Leverkusen kann Borussia Dortmund nämlich noch tiefer in die Krise schießen und vielleicht sogar die Amtszeit von Trainer Peter Bosz beenden.
Das ist nicht nur deshalb kurios, weil statt Herrlich zunächst Bosz Bayer-Coach werden sollte, ehe sich der Niederländer für den BVB statt die Werkself entschied. Es ist vor allem auch deshalb außergewöhnlich, weil Herrlichs Profi-Karriere in Dortmund eine der emotionalsten der BVB-Historie war.
«Es ist klar, dass die Zeit in Dortmund besonders in Erinnerung bleibt», sagte Herrlich der Deutschen Presse-Agentur vor der Partie am Samstag (15.30 Uhr), die für ihn eine besonders emotionale wird. «Ich würde lügen, wenn ich es anders darstellen würde. Natürlich schaue ich jedes Wochenende auch darauf, was der BVB macht, und ich freue mich auch jedes Mal, wenn Dortmund gewinnt – nur nicht gegen uns.»
Trotz des Blicks auf die eigene Mannschaft lassen den 45-Jährigen die Sorgen des Kollegen Bosz nicht kalt. Dem Niederländer droht im Falle einer Niederlage die Beurlaubung. «Natürlich fühlt man in schwierigen Momenten auch mit dem Kollegen», sagte er, betonte aber auch: «Im Profi-Geschäft muss man sich von derartigen Gedanken wohl freimachen. Jeder hat seine eigenen Ambitionen, das gehört zum Geschäft. Ein Trainer ist immer der Anwalt seiner eigenen Mannschaft, und er braucht nun mal Ergebnisse.»
Grundsätzlich ist für ihn klar: «Trotz der derzeitigen Situation hat Borussia Dortmund eine fantastische Mannschaft, die selbstverständlich in der Lage ist, aus dieser Ergebniskrise herauszukommen.»
Herrlich kam 1995 von der anderen Borussia aus Mönchengladbach nach Dortmund. Als Nationalspieler, Bundesliga-Torschützenkönig, teuerster innerdeutscher Transfer (elf Millionen Mark) und mit mächtig Getöse. Er berief sich in Gladbach auf eine Zusage zum Wechsel und verweigerte das Training, ehe der Transfer nach einem Termin beim Arbeitsgericht und unter Vermittlung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) über die Bühne ging.
In Dortmund wurde Herrlich Leistungsträger, deutscher Meister, Weltpokalsieger. Und er wurde unfreiwillig zum Motiv eines der bekanntesten deutschen Sportfotos, als der wild in Kung-Fu-Manier aus dem Tor stürmende Bayern-Torhüter Oliver Kahn ihm in den Hals biss.
Im Herbst 2000 schockte die Nachricht Fußball-Deutschland, dass beim damals gerade 29 Jahre alten Herrlich ein bösartiger Tumor im Mittelhirn diagnostiziert worden war. Vier Monate später gab der operierte Heiko Herrlich ohne Haare eine bewegende Pressekonferenz. Ein weiteres halbes Jahr später feierte er – im Derby gegen Schalke – sein Comeback.
Fußballerisch fand Herrlich nie wieder seine Form, doch er hatte überlebt und sogar wieder Profi-Fußball gespielt. 2005 begann er in der U19 des BVB seine Trainer-Karriere, holte 2007 gegen Schalke den Westfalen-Pokal. Dass Herrlich, der in dieser Zeit unter anderem den heutigen Dortmunder Kapitän Marcel Schmelzer zum Linksverteidiger umschulte, dieses Erlebnis als «sehr emotional für mich» bezeichnet, zeigt, wie sehr er mit dem BVB verbunden ist.
Doch das Spiel am Samstag ist auch für Leverkusen wegweisend. Nach neun Spielen ohne Niederlage könnte die Werkself mit einem Sieg an Dortmund vorbeiziehen. Es wäre ein Meilenstein in Herrlichs erster Saison als Bayer-Coach.
Fotocredits: Thomas Frey