Hamburg – Die Erstligazeit des Hamburger SV geht zu Ende. Daran gibt es seit Samstag eigentlich keinen Zweifel mehr.
Nach dann nicht ganz 55 Jahren ohne eine einzige Unterbrechung wird der Bundesliga-Dino nun schon fast unvermeidlich nach dieser Saison erstmals den Gang in die 2. Liga antreten müssen. Fans, Spieler, Verantwortliche – sie alle wussten nach dem 0:0 gegen den FSV Mainz 05 an diesem bitterkalten Märztag, dass es den Club nach jahrelanger Misswirtschaft dieses Mal mit großer Gewissheit erwischen wird.
«Wir sind in einer ganz schlimmen Situation, die nochmal schlechter geworden ist», sagte Sportdirektor Jens Todt nach dem zwölften Spiel in Serie ohne Sieg. Dass der HSV selbst gegen einen zu keiner Zeit Erstligaansprüchen genügenden FSV Mainz 05 nicht gewinnen konnte und auch in einer halbstündigen Überzahl nach Gelb-Rot für den Mainzer Leon Balogun keinen Treffer zustande brachte, führte auch dem letzten Daueroptimisten schonungslos vor Augen: für dieses HSV-Team reicht es einfach nicht für die 1. Liga.
«Ich bin von der Natur aus ein Mensch, der nicht aufgibt, wenn es rechnerisch noch möglich ist. Aber ich bin Realist genug, um zu wissen, dass wir das Spiel hätten gewinnen müssen, um im Endspurt eine Restchance zu haben», räumte Stürmer Sven Schipplock ein.
Da es aber trotz 20:5 Torschüssen und 11:1 Ecken nur zu einem mickrigen Pünktchen reichte, wird es anders als 2014, 2015 und 2017 dieses Mal ziemlich sicher keine Last-Minute-Rettung geben. «Aufgeben liegt nicht in meinem Naturell, aber wir brauchen schon ein kleines Wunder», gestand auch Trainer Bernd Hollerbach, der weiter ohne Sieg als HSV-Coach ist.
In puncto Einsatz konnte man den Hamburgern dieses Mal keinen Vorwurf machen. Die Mannschaft hatte «alles reingehauen», wie Hollerbach immer wieder betonte. Doch die Qualität im Kader reicht einfach nicht aus, selbst einen so schwachen Gegner wie Mainz zu besiegen. Dass der Club in der Winterpause nicht noch einmal auf dem Transfermarkt tätig wurde, wird als einer der schwersten Fehler in die Vereinsgeschichte eingehen. Die Idee, nicht erneut auf neues Geld von Klaus-Michael Kühne zu setzen und damit nicht noch abhängiger von dem launischen Gönner zu werden, war eine hehre – allein der Zeitpunkt für diesen Kurswechsel war der kolossal falsche.
Weshalb die aktuellen Entscheidungsträger beim nun notwendigen Neuaufbau im Unterhaus keine Rolle mehr spielen werden. Die Tage von Vorstandsboss Heribert Bruchhagen, Sportdirektor Jens Todt und Trainer Bernd Hollerbach an der Elbe sind längst gezählt. Hinter den Kulissen treibt der alte und neue Präsident Bernd Hoffmann die Pläne für die ungewisse Zukunft bereits vehement voran. Es soll unbedingt verhindert werden, dass es dem HSV so ergeht wie den Traditionsclubs 1860 München oder 1. FC Kaiserslautern, die sich vom Abstieg aus der Bundesliga bis heute nicht erholt haben.
Viel wird davon abhängen, ob der HSV die völlig verkorkste Saison mit Anstand zu Ende bringt, jetzt wo der Abstieg bei weiter sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz fast schon besiegelt scheint. Neun Spieltage Erstklassigkeit bleiben noch, dann wird die Kultstatus besitzende Stadionuhr wohl zum Stillstand kommen. Wichtig wird es sein, bei den Fans mit zumindest couragierten Leistungen Hoffnungen auf eine bessere Zukunft zu wecken.
Am Samstag besangen die Anhänger mit bewundernswertem Trotz den noch gültigen Status als einziger Dino der Bundesliga. Doch nach dem 0:0, bei dem Filip Kostic zur Krönung auch noch einen Elfmeter vergab, machten auch sie deutlich, was nach dem Abpfiff alle wussten und fühlten. «Absteiger, Absteiger», hallte es durch den Volkspark. Und niemand machte sich mehr die Mühe zu widersprechen.
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(dpa)