Düsseldorf – In der kontroversen Debatte um die 50+1-Regel des deutschen Fußballs wird der Tonfall bissiger. Speziell zwischen den Branchengrößen Bayern München und Borussia Dortmund nimmt der Disput an Schärfe zu. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Reinhard Rauball, in Personalunion Borussia- und DFL-Präsident, konterten Aussagen von Karl-Heinz Rummenigge.
Der Bayern-Vorstandschef war mit einer These vorgeprescht. Die Bundesliga solle sich für Investoren öffnen, andernfalls werde sie international immer mehr den Anschluss verlieren und auf nationaler Ebene langweilig bleiben.
Als vorerst letzter Rummenigge-Kritiker meldete sich Sportdirektor Max Eberl von Borussia Mönchengladbach zu Wort. Für ihn sei die Öffnung der Liga für Großinvestoren, die das Sagen in den Vereinen übernehmen wollten, keineswegs der einzige Weg, um wieder konkurrenzfähig zu werden.
«Die Bayern haben ihren aktuellen Status ja auch innerhalb 50+1 erreicht», gab Eberl in der «Fußball Bild» (Mittwoch) zu bedenken. Er sei dagegen, dass ein «über Jahrzehnte bewährtes System gekippt und die Liga mit Großinvestoren geflutet wird». Es gebe dadurch keinen Automatismus, dass Superstars wie Cristiano Ronaldo oder Neymar in der Bundesliga spielen würden.
Eberl zweifelt daran, dass Scheichs oder Oligarchen mit Millionen oder gar Milliarden für eine größere Liga-Attraktivität sorgen würden: «Wir haben eine Liga, die nah an den Fans dran ist, in der es Emotionen gibt – das setzt uns ab von anderen großen Ligen, und das sollten wir uns bewahren.»
Dieses Bewahren ist eigentlich geklärt. Denn die Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga hatte sich am 22. März in Frankfurt am Main mehrheitlich für eine Grundsatzdebatte unter Beibehaltung der 50+1-Regel ausgesprochen. Das ist, zumindest für Watzke, die Basis für die nahe Zukunft.
«Was an einem demokratisch herbeigeführten Beschluss so schlimm sein soll, das weiß ich nicht. Wir müssen aufpassen, dass wir die Bundesliga nicht so sehr spalten, wie sich gerade die deutsche Gesellschaft zu spalten scheint», sagte Watzke der Tageszeitung «Die Welt» (Mittwoch).
Watzke und Rauball sind sich einig in ihrer Kritik an Rummenigge. Der Bayern-Boss hatte zuvor im «Kicker» geäußert, er finde die gesamte Entwicklung in der DFL «im Moment bedenklich». Ihm fehle da die Führung – und das will Rauball so nicht stehen lassen.
«Der Vorwurf ist unberechtigt. Die Frage um 50+1 wird allein von den 36 Proficlubs entschieden. Es ist ein fataler Irrtum zu glauben, das Präsidium der DFL könne 50+1 aufheben – die Regelung ist nämlich Bestandteil der Satzung», sagte Rauball der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» (Dienstag).
Sollten sich Rummenigge, Rauball und Watzke im Vorfeld der Begegnung zwischen den Bayern und dem BVB (Samstag, 18.30 Uhr/Sky) zu einer Aussprache treffen, dürften die Diskussionen um 50+1 eine wichtige Rolle spielen. Die Vorschrift besagt, dass der Stammverein auch nach einer Ausgliederung der Profiabteilung weiter die Stimmenmehrheit (50 Prozent plus eins) in einer Kapitalgesellschaft haben muss.
In den kommenden Monaten soll eine Grundsatzdebatte geführt werden – mit Schwerpunkt: Kann 50+1 noch rechtssicherer gemacht werden? Die DFL-Spitze fürchtet nämlich, dass die Regel einer juristischen Überprüfung nicht standhalten könnte. Der Sportrechts-Experte Thomas Dehesselles sagte der «Sport Bild» (Mittwoch), abschließende Rechtssicherheit könne nur durch ein ordentliches Gericht herbeigeführt werden.
BVB-Chef Watzke warnte eindringlich vor einer Abschaffung der Regel. Das könne «enormen sozialen Sprengstoff» bergen. «Wir haben 153 000 Mitglieder, und ich weiß, dass die meisten von denen 50+1 erhalten wollen», sagte Watzke. «Wollen wir jetzt über deren Köpfe hinweg diese Regel abschaffen? Dann fliegt uns das Ganze schneller um die Ohren, als wir gucken können.»
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(dpa)