Paris – Simona Halep genoss gerade erst ihren ersten Grand-Slam-Titel, da adelte Turn-Idol Nadia Comaneci die weltbeste Tennisspielerin schon als neue rumänische Sportlegende.
«Bisher waren wir drei: Ilie (Nastase), Gheorghe (Hagi) und ich. Jetzt sind wir vier. Das ist ein großer Tag für Rumänien», sagte Comaneci, die gerade noch rechtzeitig aus den USA zum Endspiel in Paris eingetroffen war und in Haleps Box saß.
Der einstige Fußball-Star Gheorge Hagi, der wie Halep aus Constanta stammt, war schon zum Halbfinale gekommen. «Simona Halep hat uns gezeigt, dass alles möglich ist, wenn man es richtig aufbaut. Ich glaube, Simona ist jetzt das wichtigste Idol für die Rumänen», sagte Hagi. «Ich habe zehn Jahre auf diesen Tag gewartet, man muss ihn feiern.» Der Foto-Termin mit Halep und dem Pokal am Sonntag wurde denn auch um zwei Stunden verschoben.
Halep wollte die Coupe Suzanne Lenglen am liebsten gar nicht mehr hergeben, nachdem sie fast ihr halbes Leben lang auf die Siegertrophäe bei einem Grand Slam warten musste. «Ich habe sie ganz oft geküsst, um sicherzugehen, dass sie in meinem Herzen bleibt», verriet die 26-Jährige nach der Siegerehrung strahlend. «Davon habe ich geträumt, seit ich vierzehn bin.»
Nach dem 3:6, 6:4, 6:1 über US-Open-Siegerin Sloane Stephens wurde klar, wie schwer die Bürde von zuvor drei Niederlagen in den ersten drei Grand-Slam-Endspielen auf der Weltranglisten-Ersten tatsächlich lastete. Halep strahlte gelöst wie nie, war zu Scherzen aufgelegt, sämtliche Verbissenheit war gewichen. «Die Nummer eins zu sein ohne Grand-Slam-Titel – das sind nicht hundert Prozent», räumte Halep ein. «Sie hat ihre Angst, ihre Zweifel, ihre Frustrationen, ihren Schmerz besiegt. Sie hat unser mangelndes Vertrauen besiegt», kommentierte die rumänische Sportzeitung «Gazeta Sporturilor».
Auf der Tribüne hob Virginia Ruzici den Daumen, die 1978 erste rumänische Grand-Slam-Siegerin war. Fünf Jahre zuvor triumphierte Nastase bei den Herren ebenfalls im Stade Roland Garros. Daheim gratulierte Staatspräsident Klaus Iohannis und schrieb bei Facebook: «Die erste Grand-Slam-Trophäe in der Karriere kam nach einem Finale, bei dem unsere Meisterin um jeden Ball gekämpft hat und keinen Augenblick aufgegeben hat. Bravo, Simona!»
Nachdem sie im vorigen Jahr trotz 6:4, 3:0-Führung noch der Lettin Jelena Ostapenko auf dem Court Philippe Chatrier unterlag, drehte sie gegen Stephens diesmal selbst einen 3:6, 0:2-Rückstand um und schlug nach gut zwei Stunden Spielzeit die Hände vor das Gesicht, als eine Rückhand der Amerikanerin nicht im Feld landete – wie so viele andere Bälle zuvor in einem nur ab und an hochklassigen Endspiel. «Simona hat ein bescheidenes Match geliefert», lautete das Urteil von Boris Beckers Ex-Manager Ion Tiriac in der Zeitung «Prosport», «aber sie hat es zu 300 Prozent verdient. Auch diesmal hat sie den Kampf ganz und gar nicht aufgegeben. Die Rumänen sollen glücklich sein.»
Nicht nur die enthusiastischen rumänischen Fans unter den knapp 15.000 Zuschauern, das gesamte Publikum half ihr, sich endlich vom Image der Verliererin zu befreien. Halep hatte ihre Lehre aus der so schmerzhaften Niederlage vor einem Jahr gezogen. «Da war ich zu defensiv, als ich geführt habe», sagte sie. Dieses Mal riskierte die kleine Kämpferin etwas. Fünf Jahre nach ihrem ersten Turniersieg in Nürnberg und knapp fünf Monate nach dem verlorenen Endspiel bei den Australian Open gegen Caroline Wozniacki war sie am Ziel ihrer Träume – und das bei ihrem Lieblings-Grand-Slam-Turnier.
«Sie hatte eine schwere Reise», sagte Verliererin Stephens fair und meinte philosophisch:. «Es gibt immer Licht am Ende des Tunnels. Ich bin froh, dass sie endlich ihr Licht gesehen hat.»
Fotocredits: Corinne Dubreuil
(dpa)