Stuttgart – Seine Rückkehr an die Weltranglistenspitze feierte Tennis-Phänomen Roger Federer mit einem befreiten Lächeln und einer geballten Faust.
Dank des spannenden 6:7 (2:7), 6:2, 7:6 (7:5) gegen den exzentrischen Australier Nick Kyrgios zog der Schweizer erstmals ins Endspiel des Rasen-Turniers von Stuttgart ein. Den spanischen French-Open-Sieger Rafael Nadal löst der 36-jährige damit an der Spitze der Weltrangliste ab. «Ich bin überglücklich, dass ich es erreicht habe. Vor allem nach so einem Super-Match. Das ist unglaublich», sagte Federer dem TV-Sender Sky.
Einen schnellen Rückstand im entscheidenden Tiebreak holte Federer auf – und nutzte unter dem Jubel der Zuschauer nach 1:51 Stunden seinen ersten Matchball. Im dritten Anlauf will der Publikumliebling erstmals das Turnier auf dem Killesberg gewinnen. Im Endspiel am Sonntag (13.00 Uhr) spielt Federer gegen den ehemaligen kanadischen Wimbledon-Finalisten Milos Raonic um seinen 98. ATP-Titel. Der 27-jährige Kanadier stoppte mit dem 6:4, 7:6 (7:3) im ersten Halbfinale den französischen Titelverteidiger Lucas Pouille.
Am Montag wird Federer offiziell wieder ganz oben im Ranking auftauchen, zum dritten Mal in diesem Jahr übernimmt er die Spitze der Weltrangliste. Mitte Februar hatte sich die Tennis-Ikone beim Turnier in Rotterdam erstmals seit fünf Jahren und 106 Tagen den Status als Nummer eins gesichert. Mitte Mai – mitten in seiner selbst gewählten Auszeit – spülte ihn die komplizierte Weltranglisten-Arithmetik für eine Woche nach vorn. Noch immer prägen die beiden zwischenzeitlich bereits abgeschriebenen Tennis-Größen Nadal und Federer ihren Sport.
Gegen den Weltranglisten-24. Kyrgios begann Federer vor rund 6000 Zuschauern zwar konzentriert, streute aber wie in seinen vorangegangenen Partien in Stuttgart auch Fehler ein, die er in seiner besten Form nicht macht. Der Topgesetzte hatte im ersten Satz weniger Probleme bei seinen Aufschlagspielen, konnte den Kontrahenten aber selbst auch nicht breaken. Klar sicherte sich der Australier den Tiebreak. Eine kuriose Serie setzte sich fort: Auch alle sechs vorangehenden Sätze auf der ATP-Tour zwischen den beiden wurden erst im Tiebreak entschieden.
«Wir hatten brutale Matches gegeneinander. Er ist immer gefährlich, besonders auf Rasen», hatte Federer vorausgeblickt. Es war ein besonderes Duell am vorletzten Turniertag, auf dem schon abgewetzten Rasen des Center Courts beim MercedesCup. Nicht nur, weil es um die Nummer eins ging. Auf der einen Seite stand der 36 Jahre alte Publikumsliebling, auf der anderen Seite der 23-Jährige, bei dem sich Genie und Wahnsinn, Weltklasse und Espakaden abwechseln.
Im zweiten Satz schenkte Kyrgios mit zwei Doppelfehlern dem Baseler das erste Break zum 2:1. Der Australier, der in den vergangenen beiden Monaten wegen einer Ellbogenverletzung fehlte, ließ zwischenzeitlich nach. Ein zweites Mal nahm die Nummer eins der Setzliste seinem Rivalen zum 5:2 den Aufschlag ab, mit seinem neunten Ass holte er sich den Satzausgleich. Im dritten musste wieder der Tiebreak entscheiden, diesmal mit dem besseren Ende für Federer.
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(dpa)