New York – Immer wieder geht Ivan Lendl zu Alexander Zverev und spricht kurz mit ihm – genau auf jenem Tennisplatz, wo der gebürtige Tscheche von 1985 bis 1987 dreimal selbst die US Open gewann.
Sein neuer Schützling schaut den früheren Weltranglisten-Ersten nicht immer an, aber hört im komplett neuen Louis-Armstrong-Stadium genau zu, denn vielleicht verrät ihm der 58-Jährige die richtigen Tipps für den ersten Grand-Slam-Triumph. Am Dienstag soll gegen den kanadischen Qualifikanten Peter Polansky der erste Schritt in der 14.000 Zuschauer fassenden überdachbaren Arena gelingen, über die zu Lendls Zeiten noch die startenden Flugzeuge direkt hinwegdonnerten.
Boris Becker ist sehr froh, dass sich der 21-Jährige den einst von seinen Rivalen wegen seiner Unerbittlichkeit gefürchteten Lendl ins Team geholt hat. «Ich glaube, dass er grade bei den Grand Slams Hilfe benötigt. Ivan mit seiner langjährigen Erfahrung, gerade in New York, ist genau der richtige Mann», sagte Becker der «Neuen Osnabrücker Zeitung».
Und Lendl wirkt trotz seiner Sonnenbrille beim Training längst nicht mehr so streng und grimmig wie einst. Unter dem Polohemd, das über die Shorts hängt, zeichnet sich ein Bäuchlein ab, manchmal lächelt Lendl auch oder begrüßt Bekannte auf und außerhalb des Platzes. Wie Zverevs Vater trägt er eine weiße Baseball-Kappe, von weitem ähneln sich die beiden älteren Herren irgendwie ein bisschen.
«Die mögen sich gegenseitig, die verstehen sich gut, die kennen sich seit 30 Jahren», sagt Zverev und spricht von einer Trainer-Beziehung auf Augenhöhe. Aber Lendl scheint doch eine andere Aura zu versprühen. «Er ist eine starke Persönlichkeit. Wenn er was sagt, hörst du auf ihn. Ich weiß genau, wer ich sein möchte, wer ich sein kann – nur solche Persönlichkeiten können dich dahin bringen», sagt Zverev junior.
Nach dem letztlich misslungenen Versuch mit dem Spanier Juan Carlos Ferrero fühlt er sich nun bereit für einen wie Lendl, der ihm auf das nächste Level helfen soll und aus eigener Erfahrung weiß, wie es geht. «Vielleicht klappt es bei den US Open», sagte Becker. Gerade in New York enttäuschte Zverev bisher, im vorigen Jahr war wieder in der zweiten Runde Schluss.
Aus Sicht von Becker, der das Turnier für den TV-Sender Eurosport begleitet, sind Erfolge des 21-jährigen Zverev bei den vier wichtigsten Turnieren nur noch eine Frage der Zeit und der Erfahrung. Nicht Zverev selbst sei ungeduldig, sondern die Medien. Die Fragerei zu seiner Grand-Slam-Bilanz nerve den Weltranglisten-Vierten. «Die einfachste Antwort wäre, einfach mal ein Turnier zu gewinnen», meinte der dreimalige Wimbledonsieger.
Angelique Kerber muss da nichts mehr beweisen. Die US-Open-Siegerin von 2016 will am Dienstag gegen die russische Außenseiterin Margarita Gasparjan aber natürlich vermeiden, wie im Vorjahr sofort auszuscheiden. Becker zählt die Wimbledonsiegerin zum erweiterten Favoritenkreis, auch wenn sie nach einer Auszeit in der Vorbereitung noch nicht wieder recht in Schwung war. «Da fällt man erstmal in ein kleines Loch, was die Emotionen angeht. Aber ich glaube, sie wird sich da durchbeißen und in New York in Topform auflaufen», sagte Becker. Dafür durfte Kerber ganz in Ruhe sogar im fast menschenleeren riesigen Arthur-Ashe-Stadium trainieren, wo in zwei Wochen die Sieger ihre Trophäen erhalten – vielleicht ja auch wieder ein deutscher Star.
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(dpa)