Leipzig – Beim ersten Schuss nach mehr als sieben Monaten waren sie bei Biathlon-Star Ole Einar Björndalen sofort wieder da, diese speziellen Gefühle. Und die Erinnerungen an goldene Zeiten.
«Das war sehr schön. Und das Schießen läuft ziemlich gut. Das verlernt man nicht so schnell», sagte Rekord-Olympiasieger und -Weltmeister der Deutschen Presse-Agentur gut gelaunt und motiviert.
Seit seinem letzten Karriere-Rennen am 24. März in der Verfolgung von Tjumen mit Platz 32 hatte der erfolgreichste Biathlet der Geschichte seine Waffe nicht mehr in der Hand. Früher hatte er ihr sogar Namen gegeben oder sie mit ins Bett genommen. Nun trainieren er und seine Frau Darja Domratschewa wieder etwas intensiver. Denn die beiden Sport-Legenden bereiten sich auf ihr großes Abschiedsrennen am 29. Dezember bei der World Team Challenge in Gelsenkirchen vor. «Das ist eine schöne Möglichkeit, sich von den deutschen Fans zu verabschieden. Ich freue mich wirklich sehr», sagte der 44-Jährige.
Die neue Saison wird eine kleine Zäsur im Biathlon-Sport. Erstmals seit 1992 fehlt der Name Björndalen in den Starterlisten. Und auch seine Frau, in Weißrussland als Nationalheldin verehrt und dort unlängst zur einflussreichsten Frau gewählt, hinterlässt eine große Lücke. Das Power-Duo holte zusammen zwölf olympische Goldmedaillen – Domratschewa vier, Norwegens Sport-Ikone ganze acht. Dazu kommen 22 WM-Titel: 20 vom «König der Biathleten» und zwei von Domratschewa. «Es ist schade, aber es ist auch eine Konkurrentin weniger», sagte Franziska Preuß mit einem Augenzwinkern.
Unter Tränen hatte Björndalen, der bei 95 Weltcups (94 Biathlon/1 Langlauf) siegte, wegen Herzrhythmusstörungen im Frühjahr unfreiwillig seine Karriere beendet. Zuvor hatte er im Februar die Qualifikation für seine siebten Olympischen Spiele verpasst. Mit erst 31 Jahren hörte Domratschewa dann auch auf – wegen der Familie.
Denn nun steht die zweijährige Tochter Xenia im Mittelpunkt. «Sie gibt sehr viel Freude und Liebe. Es ist unglaublich, was so ein kleines Mädchen geben kann», schwärmte Björndalen. Noch sei Xenia ganz klar ein Mama-Kind: «Papa-Kind, das glaube ich, kommt später», meinte er und lacht. Xenia wächst dreisprachig auf: Björndalen spricht norwegisch mit ihr, Domratschewa russisch, dazu kommt englisch.
Die Umstellung vom Profi-Sport fiel beiden, auch dank ihrer Tochter, nicht ganz so schwer. «Die Tage sind immer voll», sagte Björndalen und Domratschewa ergänzt: «Wir sehen das Leben jetzt von einer neuen Seite. Vorher ging es nur um den großen Sport, jetzt erleben wir viele neue Facetten und interessante Dinge.»
Ihr Haus in Minsk wurde im Sommer fertig. Der Umzug vollzogen. Auch deshalb gab es bisher keinen großen Urlaub. Das Power-Paar besuchte die Fußball-WM in Russland, gönnte sich einen neuen, weißen Sportwagen, Domratschewa präsentierte auf einer Modenschau in Minsk ihre neue Sportkollektion. Zudem nahm die zur Botschafterin der Europaspiele 2019 ernannte Domratschewa an Karatetraining teil, coachte ein Team für den Minsker Halb-Marathon und machte ein Hochglanz-Modeshooting. Alles von den Medien begleitet.
Beruflich haben die beiden laut Björndalen mehrere Optionen, öffentlich machen wollte er aber noch nichts. Beim Weltcup-Auftakt in Pokljuka am 2. Dezember sind sie aber dabei. Vielleicht sieht man sie vor der Kamera als Experten. Das Paar ist ständig unterwegs und der endgültige Wohnsitz auch deshalb noch nicht festgelegt. «Wenn Xenia eingeschult wird, dann werden wir einen Wohnort festlegen. Und wenn wir dann vielleicht nach Norwegen ziehen, kommen Biathlon oder Langlauf als möglicher Sport für sie infrage», sagte Björndalen.
Sportlich erwartet Björndalen wieder einen Zweikampf zwischen Frankreichs Superstar Martin Fourcade und seinem früheren Teamkollegen Johannes Thingnes Bö. «Aber ich hoffe, dass bald ein Deutscher oder ein Russe kommt, und sie attackiert», sagte Björndalen. Dem deutschen Team mit Sprint-Olympiasieger Arnd Peiffer und den ebenfalls mit Olympia-Medaillen dekorierten Simon Schempp, Erik Lesser und Benedikt Doll traut er einiges im Kampf gegen das Favoriten-Duo zu. «Ich hoffe, dass es ihnen gelingt. Ob sie die Konstanz haben, weiß ich nicht. Aber ich hoffe, ich werde überrascht», meinte der frühere Ausnahmekönner.
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(dpa)