Seefeld – Die Kindheitsträume sind erfüllt. Und nun? Auch nach zwei Jahren voller sportlicher Erfolge mit zwei Olympiasiegen, vier WM-Titeln und der Krönung als «Sportler des Jahres» ist Johannes Rydzek keineswegs satt.
Demütig und bescheiden aber allemal. Vor dem ersten Wettbewerb der Nordischen Kombinierer an diesem Freitag mit dem Springen von der Großschanze in Innsbruck sagt er: «Wenn ich ins Ziel komme und mir sagen kann, ich habe alles geleistet, was ich drauf habe, dann bin ich zufrieden. Wenn das für einen Podestplatz oder sogar für den Sieg langt, dann natürlich umso mehr.»
Die WM in Lahti 2017 und die Winterspiele in Pyeongchang 2018 werden immer untrennbar mit dem Namen Rydzek verbunden sein. «Das war alles so intensiv, so unglaublich schön», berichtet der Oberstdorfer. Danach sei er körperlich und mental aber ausgezehrt gewesen. «Ich habe gemerkt, dass es nicht immer möglich ist, dieses hohe Level, diese hohe Konzentration zu halten», sagt der 27-Jährige, der sich auf seiner Homepage als den «neuen Supermann der Nordischen Kombination» bezeichnen lässt.
Die zwei Jahre haben ihn geprägt, sie haben ihn reifen lassen. «Ich kann mich jetzt besser reflektieren, die Verbissenheit ist etwas weg. Ich weiß, dass man nicht immer alles richtig machen kann. Ich suche die Schuld nicht mehr nur bei anderen Personen oder äußeren Umständen», beschreibt Rydzek seine Wandlung. Bislang ließ es der Allgäuer sein Umfeld oftmals spüren, wenn er unzufrieden war. Jetzt steht er auch zu Leistungen, die ihn gerade selbst nicht zufriedenstellen. Auch das ist eine Erfahrung des Alters. In elf Weltcup-Saisons konnte er 16 Einzelerfolge verbuchen.
«Der Johannes hat mittlerweile den Blick auf das Ganze, ordnet die Dinge für sich, bringt sich taktisch anders ein», sagt Bundestrainer Hermann Weinbuch. «Er ist einfach routinierter in seinem Auftreten.»
Rydzek liebt und lebt seinen Sport. «Leidenschaft» nennt er es. Doch es ist längst nicht mehr seine einzige. Im vergangenen Jahr heiratete er seine langjährige Freundin Lissi. «Die Familie ist jetzt ein sehr wichtiger Teil meines Lebens», betont er. Zudem studiert er an der Hochschule Kempten Wirtschaftsingenieurwesen – Maschinenbau.
Die größte Zeit ist er aber noch Sportler. Profi. Und als solcher nun in einem Alter, in dem er sich der Angriffe der Jüngeren erwehren muss. Wie beispielsweise die seines Clubkameraden Vinzenz Geiger, dem er sich auch schon geschlagen geben musste. «Es ist der Lauf der Zeit, dass sich die Jungen entwickeln. Für uns Ältere ist es Ansporn, uns nicht auf den Lorbeeren vergangener Tage auszuruhen. Es ist aber gut zu wissen, dass Nachwuchs da ist, der Weltspitze darstellt», sagt Rydzek. Auch das zeigt seine neue Qualität.
Vor Seefeld ist der Oberstdorfer erstaunlicherweise gelassen. Erstaunlich deshalb, weil es im Saisonverlauf noch nicht wie gewünscht lief. «Natürlich ist die Gefahr groß, dass man in der Öffentlichkeit schnell hinten runter fällt, wenn es nicht nur Erfolge gibt. Aber wir haben genügend echte Charaktere in der Mannschaft, die das verhindern. Und wir sind nicht weit weg, haben gezeigt, dass wir immer um Medaillen mitkämpfen können», sagt Rydzek. Eine Garantie dafür, dass es auf den Punkt klappt, habe ohnehin niemand. Auch nicht Weltcup-Überflieger und Seriensieger Jarl Magnus Riiber aus Norwegen.
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(dpa)