New York – Angelique Kerber hat sich endgültig in der Tennis-Weltspitze etabliert. Die 28 Jahre alte Linkshänderin aus Kiel hat an ihren Schwächen gearbeitet und überzeugt jetzt auch mit mentaler Stärke.
DER AUFSCHLAG: Was das Spielerische betrifft, hat Kerber an ihrem Service am meisten gearbeitet. Vor allem ihr zweiter Aufschlag war früher einer der größten Schwachpunkte. Als sie jetzt in der dritten Runde gegen Catherine Bellis einen Breakball zum 1:2 gegen sich hatte, schlug sie ein Ass. «Sie schlägt in wichtigen Situationen besser auf», sagt auch Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner. «An ihrem Aufschlag kann man ihre Entwicklung am besten festmachen.»
DIE NERVEN: In der Vergangenheit oft eine der Schwächen. Gerade in engen Situationen oder unter Druck geriet sie schnell in Bedrängnis und in die Defensive. Doch 2016 scheint sie die kritischen Phasen fast zu genießen. Das fing bei den Australian Open an, als sie in der ersten Runde Matchball gegen sich hatte – und wenige Tage später ihr erstes Grand-Slam-Turnier gewann. Endgültig abgelegt hat Kerber das Nervenflattern in Wimbledon, wo sie Serena Williams im Endspiel trotz Niederlage einen tollen Fight bot. «Dieses Wimbledonfinale hat sie total befreit», sagte Rittner.
DAS TEAM: Mit dem ruhigen Trainer Torben Beltz hat Kerber genau den richtigen Coach an ihrer Seite. «Keiner kennt mich besser als er», sagt die Kielerin. Der Schlacks aus Norddeutschland weiß, wann er Kerber in Ruhe lassen muss und wann sie auch mal einen Weckruf benötigt. Auch Barbara Rittner ist eine wichtige Ratgeberin. In der Box sitzt zudem ihre Mutter Beata, zu der Kerber ein enges Verhältnis hat. Dass stets ein Physiotherapeut auf der Tour dabei ist, ist Beleg für die hohe Professionalität der deutschen Nummer eins.
DAS SELBSTVERSTÄNDNIS: Früher hatte Kerber nicht das Gefühl, zu den Besten auf der Tour zu gehören. Obwohl sie seit Jahren in den Top Ten steht, schien die Weltspitze weit weg. Das ist längst nicht mehr so und zeigt sich auch an ihren Auftritten in den einst so ungeliebten Presserunden. «Es ist viel passiert. Ich bin eine ganz andere Spielerin. Vor fünf Jahren saß ich hier, war nervös und hatte keine Ahnung, was ich antworten soll», erzählte Kerber nach ihrem Sieg gegen Roberta Vinci. «Man merkt ihr an, dass sie ihre Rolle viel mehr lebt», sagt Rittner. «Sie macht das komplett professionell. Man spürt, dass sie selber dran glaubt. Sie ist sehr gewachsen in ihrer Persönlichkeit.»
DIE ZAHLEN: Ohne Satzverlust ist Kerber in das Halbfinale eingezogen. Sie ist die Spielerin mit den meisten Hauptfeld-Siegen in diesem Jahr (52). Sie hat drei von vier Grand-Slam-Halbfinals erreicht und zwei Titel in diesem Jahr gewonnen. Seit Jahren zählt Kerber zu den Vielspielerinnen auf der Tour. Geschadet hat es ihr bislang nicht.
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(dpa)