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Die Geduld wird belohnt: Kerbers Wandlung zur Nummer eins

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New York – Tennis-Ikone Martina Navratilova brachte es nach Angelique Kerbers Triumph bei den Australian Open auf den Punkt. «Ich habe vor dem Spiel gesagt, dass Kerber das Spiel ihres Lebens spielen muss, um zu gewinnen – und sie hat es gemacht. Wow», meinte der frühere Tennis-Star.

Das Finale in Melbourne gegen die oft schier übermächtig, gar einschüchternd wirkende Serena Williams, die langjährige Dominatorin der Damen-Branche, ist ein Schlüsselspiel in Kerbers erstaunlicher Wandlung.

Aus der Riege der Topprofis entwickelte sie sich zur Nummer eins der Welt. Aus einer Tennisspielerin mit Potenzial für die bedeutenden Siege, die aber in den entscheidenden Momenten zu oft scheiterte, wurde eine Konstante in den Finals bei den Grand-Slam-Turnieren.

Mit einer bemerkenswerten Souveränität marschierte die Kielerin nun auch bei den US Open in New York von Spiel zu Spiel bis zum finalen Showdown. Wie schon in Wimbledon und bei Olympia in Rio. «Wow», die erstaunte Reaktion von Navratilova würde auch dazu passen.

Seit dem Coup von Melbourne Ende Januar hat Kerber verinnerlicht, dass keine Konkurrentin zu stark für sie ist – und dass sie alle besiegen kann. Wer aber nach den Gründen für ihren imposanten Aufstieg sucht, muss bis zu einer schmerzhaften Niederlage im vergangenen Oktober zurückblicken. Gegen die Tschechin Lucie Safarova brauchte die deutsche Nummer eins nur einen Satzgewinn, um bei den WTA-Finals ins Halbfinale einzuziehen. Sie zeigte Nerven, scheiterte.

Es war der Ausgangspunkt für einen großen Sprung auf mentaler Ebene und für das Vorhaben, es bei den wichtigen Turnieren «krachen» zu lassen. «Danach habe ich mir geschworen, dass ich den Druck nie mehr so über mich siegen lasse», sagte Kerber später immer wieder. 

Eine Kämpfernatur, die verloren geglaubte Duelle umbiegen kann, ist sie schon lange. Inzwischen aber tritt die Linkshänderin mit einer solchen Körpersprache auf, dass sie ein immenses Selbstbewusstsein vermittelt. Die 28-Jährige strahlt aus, dass sie einen neuen Glauben an sich selbst gewonnen hat. So bleibt sie bei kritischen Punkten souverän, gelassen und fokussiert. Und gewinnt.

Die 1,73 Meter große Athletin mag nicht die Power wie eine Serena Williams oder ihre Endspiel-Gegnerin Karolina Pliskova haben. Aber sie hat gelernt, den richtigen Mix aus Defensivkünsten und Aggressivität auf den Platz zu bringen und ihren Aufschlag verbessert. Die gebürtige Bremerin spielt clever und besticht mit einer Konstanz in langen Ballwechseln, mit der ihre Gegnerinnen oft nicht mithalten können.

Viel hat sie Torben Beltz zu verdanken. Zu ihrem vertrauten Trainer war sie Anfang 2015 nach einer sportlichen Krise zurückgekehrt. Zudem wirkt die Vorzeigesportlerin in dieser Saison noch mal ein Stück weit fitter als sie es ohnehin war. Immer wieder befreit sie sich aus größter Bedrängnis. Kerber mache «Deutschland stolz mit ihrem Talent und ihrem Kampfgeist», lobte Steffi Graf – bislang die einzige deutsche Nummer eins – vor kurzem.

Nur noch selten knickt die neunfache Turniersiegerin ein wie in Rio, als sie die Goldmedaille gegen Monica Puig verpasste, wieder anfing zu hadern und den Kopf zu schütteln. Vielmehr ist ihr anzurechnen, dass sie bei den Sommerspielen wie selbstverständlich dem Druck standhielt und ebenso nur eine Woche später das Finale in Cincinnati erreichte, auch wenn sie es gegen Pliskova ebenfalls verlor.

In den Monaten nach ihrem Australian-Open-Sieg hatte zunächst alles, was sich Kerber aufgebaut hatte, ein wenig zerbrechlich gewirkt. Inzwischen hat die Schleswig-Holsteinerin ihren Kritikern – und vielleicht sich selbst – bewiesen, dass ihr Meisterstück in Australien keine Eintagsfliege war.

«Man kann sie auch manchmal an die Wand klatschen, liebevoll», hatte Bundestrainerin Barbara Rittner in Wimbledon noch gesagt, «weil sie dann bockig oder stur ist oder Zweifel anbringt, wo sie nicht angebracht sind.» Wenige Wochen später in Rio erkannte Rittner, dass Kerber «noch mal ein Stück reifer geworden» sei.

Entwickelt hat sich Kerber nicht nur als Sportlerin auf dem Platz, sondern vor allem auch als Persönlichkeit. Sie hat gelernt, damit umzugehen, dass sie als eine Attraktion auch neben dem Centre Courts präsentiert wird. Sie hat ihren Weg gefunden, die Pflichten eines vielbeachteten Profis mit dem Sport erfolgreich zu vereinen. Nie wird sie wohl wie Plaudertasche Laura Siegemund aus sich herauskommen.

Doch Kerber ist gereift. Selbstsicherer, entspannter, stets geduldig und höflich antwortet sie auf immer wiederkehrende Fragen. «Es ist viel passiert. Ich bin eine ganz andere Spielerin. Vor fünf Jahren saß ich hier, war nervös und hatte keine Ahnung, was ich antworten soll», schilderte Kerber. Inzwischen weiß sie auch das – und wird auch passende Antworten im Falle des US-Open-Siegs finden.

Fotocredits: Justin Lane
(dpa)

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