Berlin – Es ist sicher keine Liebesgeschichte. Zwar sehnen sich die Eisernen, wie sie sich bei Union Berlin aufgrund ihrer Anhängerschaft aus der Arbeiterklasse schon seit den Gründungszeiten des Vereins nennen, der Premiere in Deutschlands Top-Liga ungeduldig entgegen.
Doch der erste Gegner sorgt am Sonntag (18.00 Uhr) für eine pikante Note. Die Kluft, die besonders die Fans zwischen den Fußball-Kulturen von Union und bei RB Leipzig sehen, ist tief und scheint unüberwindbar.
Auf den Rängen soll in den ersten 15 Minuten Fußball-Bundesliga im Stadion An der Alten Försterei aus Protest geschwiegen werden gegen das «Konstrukt» RB, wie die Initiatoren der Ultra-Gruppierung Wuhlesyndikat erklärten: «Wir werden es auch im nächsten Jahr tun und wir werden es in 10 Jahren tun, wenn es nötig ist.» Trainer Urs Fischer weiß um die zusätzliche Brisanz. «Die Fans haben sich entschieden, dementsprechend haben wir das auch zu akzeptieren», sagte der Trainer.
Das Thema habe er intern bei der Mannschaft angesprochen, damit sei es erledigt: «Wichtig ist, was nach den 15 Minuten geschieht. Darauf sind wir vorbereitet.» Der Schweizer forderte seine Profis auf, «das ganze Drumherum auszublenden» und sich nur «auf das Spiel zu fokussieren». Die Mannschaft dürfe von der größeren Bühne nicht überrascht sein: «Wenn wir Schockstarre haben, wird es schwierig.»
Nicht erst mit dem Erstliga-Aufstieg sorgt das Duell «Kult gegen Dose», wie es in der Union-Fanszene aufgrund des Leipziger Unterstützers Red Bull gern genannt wird, für Aufregung. Als 2011 der damalige Union-Manager Christian Beeck ein Freundschaftsspiel mit RB Leipzig, zu der Zeit noch Viertligist, vereinbart hatte, verhinderten Fanproteste die Partie. Beim Gastspiel der Leipziger 2013 in der Regionalliga bei Unions zweiter Mannschaft auf einem Kunstrasenplatz in Berlin-Oberspree wurden RB-Trainer Andreas Zorniger und Sportdirektor Ralf Rangnick fortwährend von Union-Fans beleidigt.
In der 2. Liga hüllten sich in der Hinrunde 2014/15 im eigenen Stadion alle 20.000 Union-Zuschauer in schwarze Plastiksäcke, weil ihrer Meinung nach die Fußball-Kultur in Leipzig gestorben sei. Vor dem Rückspiel trafen die Traditionsmannschaften von Chemie Leipzig und Union im Alfred-Kunze-Sportpark in Leipzig-Leutzsch aufeinander. 2500 Union-Fans bekundeten dabei, welchen Fußball sie sehen wollen.
Die aktuellen Profis sind uneins in der Bewertung der nun angekündigten Aktion. Vereinschef Dirk Zingler stellt sich hinter die Fans. «Ich habe in den letzten Wochen immer wieder gesagt, dass wir darauf achten, dass sich Union nicht verändert. Deshalb ist es für mich brutal ehrlich, dass die Szene sagt: ‚Wir verhalten uns in der 1. Liga genauso wie in der 2. Liga’», erklärte der Präsident im Sender «Radio Eins» vom RBB.
Andererseits machten Zingler und Sport-Geschäftsführer Oliver Ruhnert vor dem ersten Spiel des 56. Vereins in der Bundesliga-Geschichte auch deutlich, dass sich Union den Erfordernissen des Profifußballs stellen muss. «Den Anspruch, Kultclub zu sein, hat Union ja gar nicht. Union sagt, wir wollen einer der Top-20-Vereine in Deutschland sein. Dafür müssen wir einiges tun», erklärte Ruhnert im ZDF-«Morgenmagazin». Natürlich wolle man «einige Werte erhalten», bemerkte der Sport-Geschäftsführer. Aber man müsse eben auch «Deals» machen, «die dazu führen, den Erstligabetrieb zu erhalten».
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(dpa)