Leipzig – Nach dem Abpfiff verfinsterte sich die Miene, mit gesenktem Kopf klatschte er seine Spieler auf dem Rasen ab. Eine Stunde später nahm Julian Nagelsmann seine erste Pleite in Diensten von RB Leipzig gefasst.
«Die Niederlage wirft uns nicht um, manchmal tut ein Rückschlag zur richtigen Zeit nicht schlecht», meinte der 32-Jährige und witzelte nach dem 1:3 (0:2) gegen den FC Schalke 04 in einer für ihn typischen Art: «In die Ausrede flüchtet man sich immer, wenn man verloren hat, das mache ich jetzt auch.»
Das laut Vorgänger Ralf Rangnick «größte deutsche Trainertalent» ist im eigenen Stadionrund mit seinen eigenen Mitteln bekämpft worden. Hohes Pressing, schnelles Umschaltspiel und hohe Effizienz im Abschluss. «Unsere Taktik hier war perfekt», lobte Schalkes Amine Harit, Torwart Alexander Nübel brachte es auf den Punkt: «Aber manchmal kommt ein guter Plan dazu. Mentalität schlägt manchmal auch Qualität. Und die haben wir heute auf den Platz gebracht.»
Dass der Patzer von Nübel («Ich habe mich zu früh entschieden zu fausten») beim RB-Treffer von Emil Forsberg (83.) die Leipziger in der Bundesliga-Tabelle mit einem Treffer Vorsprung wieder vor den Schalkern brachte, nimmt Nagelsmann vor seinem Champions-League-Heimdebüt am Mittwoch (21.00 Uhr/live DAZN) gegen Olympique Lyon gerne mit. Wie die schwache erste Halbzeit gegen den FC Bayern (1:1) vor dem ersten Gruppenspiel bei Benfica Lissabon (2:1) ein Wachrüttler war, kommt auch dieser Rückschlag als Warnschuss nicht unpassend. «Ich gestehe meinen Jungs zu, dass sie nicht in jedem Spiel an ihr Leistungsoptimum kommen, Schwankungen sind normal», sagte Nagelsmann.
Die RB-Spieler waren nach dem Verlust der Tabellenführung selbstkritisch. «Man kann schon sagen, dass es ein Mentalitätsspiel war», meinte Nationalspieler Marcel Halstenberg, der mit der bislang besten Abwehr der Liga von den Schalkern ausgespielt wurde. Erst traf Salif Sané (29.) nach einer Ecke freistehend per Kopf, dann foulte Amadou Haidara im Strafraum Harit (43.), der den Elfmeter verwandelte.
«Wir haben zu viele einfache Fehler gemacht», kritisierte Forsberg. So wie beim Ballverlust von Nordi Mukiele: Harit ließ beim schnell vorgetragenen Konter zwei RB-Spieler hinter sich und legte für Rabbi Matondo (59.) auf, der beim 3:0 seine Torpremiere für Schalke feierte. Für RB war es die erste Heimniederlage seit acht Monaten. Damals verloren die Sachsen am 19. Januar gegen Borussia Dortmund mit 0:1. «Natürlich ist es ein ungewohntes Gefühl», gestand Yussuf Poulsen. «Doch wir waren einfach nicht gut genug.»
Dennoch gab es nach Abpfiff Applaus für die RB-Profis von den Fans in der mit 42.146 Zuschauern ausverkauften Red-Bull-Arena, die zum ersten Mal einen ausrastenden Nagelsmann erlebten. Nach einem nicht gegebenen Foul an Forsberg gestikulierte und schimpfte Nagelsmann wild in Richtung Schiedsrichter Manuel Gräfe. Daraufhin sah er erstmals die «Gelbe Karte, weil ich mich aufgeführt habe wie ein Verrückter».
Mannschaftskassen-Eintreiber Philipp Tschauner wird es freuen. Zumal Nagelsmann laut eigener Aussage noch 500 Euro offen hat, weil er ständig seine Regenjacke auf dem Trainingsplatz liegen lässt. «Wenn ich da jetzt auch noch zahlen muss, muss ich einen Zweitjob annehmen», meinte Nagelsmann.
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(dpa)