Sinsheim – Auch Ehrengast Franz Beckenbauer an der Seite von Mäzen Dietmar Hopp brachte der TSG 1899 Hoffenheim kein Glück. Die Ergebniskrise des letztjährigen Champions-League-Teilnehmers hatte der frustrierte Aushilfskapitän Benjamin Hübner in aller Kürze und treffend zusammengefasst:
Zu wenige Treffer selbst erzielt, zu einfach die Gegentore zugelassen. Mühelos ließe sich ergänzen: zu viele gute Spieler verloren, zu wenige gleichwertige verpflichtet. Und die Rezepte von Alfred Schreuder für einen tristen Fußball-Herbst wirken derzeit ein wenig so, wie sich sonst der «Kaiser» gerne ausgedrückt hat: «Schau’n mer mal.»
Das 0:3 gegen die abgezockten Gäste von Borussia Mönchengladbach zeigte zwar einmal mehr vielversprechende Hoffenheimer Ansätze – stand aber symptomatisch auch für die zahlreichen Sorgen des Teams im Jahr eins nach Julian Nagelsmann. «Ich bin sehr stolz auf die Jungs. Das hört sich komisch an, aber die Art und Weise ist genau das, was wir wollen», konstatierte Schreuder. Er klang nicht wie ein Coach, dessen Team die wenigsten Tore der Bundesliga erzielt hat und die zweite 0:3-Heimniederlage binnen zwei Wochen hinnehmen musste.
Die vier Treffer in sechs Partien stehen im deutlichen Kontrast zu 70 Treffern der Vorsaison unter Nagelsmann, der nun RB Leipzig leitet. «Es ist nur eine Frage der Zeit», meinte Verteidiger Hübner zur anhaltenden Torflaute, Coach Schreuder pflichtete ihm bei: «Wir bekommen die Chancen. Wenn wir keine Chancen mehr haben, dann haben wir große Probleme.»
Doch dass die Tore derzeit nicht fallen wollen, ist bei weitem nicht nur Pech. Es ist auch eine Qualitätsfrage. Stürmten im Vorjahr der im Sommer abgewanderte Joelinton, Andrej Kramaric und Ishak Belfodil, bildeten am Samstag Ihlas Bebou, Außenverteidiger Pavel Kaderabek und Youngster Christoph Baumgartner das Sturmtrio. Neben Joelinton sowie den Mittelfeldspielern Kerem Demirbay und Nadiem Amiri muss Schreuder derzeit auch noch den am Knie verletzten Vize-Weltmeister Kramaric ersetzen.
Die komplette Vereinsdynamik im Kraichgau wirkt gebremst, dieser Eindruck verstärkte sich mit Gladbachs Sieg dank Treffern von Alassane Pléa, Marcus Thuram und Florian Neuhaus zusätzlich. «Ich habe keinen Bock, über die Jungs zu sprechen, die nicht spielen. Die Jungs, die jetzt spielen, machen es gut», rief Schreuder zur Verteidigung seiner Spieler.
Der Niederländer selbst erlebt in diesen Wochen einen deutlichen Kontrast zur erfolgreichen Vorsaison. Durfte er als Co-Trainer von Ajax Amsterdam noch Champions-League-Sensationen und den Einzug ins Halbfinale erleben, steht er nun als Chef in Hoffenheim in der Verantwortung – bei einem Team, das sich diese Saison gut und gerne in der unteren Tabellenhälfte wiederfinden könnte.
Als «extrem» bezeichnete Schreuder nicht zu Unrecht den Umbruch in diesem Sommer. Trainer weg, vier Stammspieler weg und ein umgebauter Kader, der sich erst finden muss. Torhüter Oliver Baumann erklärt: «Es ist natürlich eine ganz schwierige Situation. Du musst ruhig bleiben, genauso weiter machen, auch wenn du noch nicht so viel Erfolg damit hattest.» Für Schreuder gilt die gleiche Devise, «denn diese Mannschaft braucht Zeit».
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(dpa)