Wolfsburg – Dieter Hecking eröffnete das Training mit einer Krisenansprache.
Rund 20 Minuten redete der Trainer des schwer kriselnden VfL Wolfsburg auf seine Mannschaft ein. Erst im Anschluss leitete der 52-Jährige die Einheit des abgestürzten Fußball-Bundesligisten auf dem Platz, doch die Frage blieb auch am Montag: Wie lange darf er das noch?
Die Lage hat sich zugespitzt. Für Hecking ist es so ungemütlich wie noch nie in Wolfsburg. Weniger, weil die ersten Fans seinen Rauswurf gefordert haben. Vielmehr wegen der Aussagen von Klaus Allofs. Der Geschäftsführer des VfL hat in seiner Manager-Karriere noch nie einen Trainer entlassen – doch jetzt könnte es diese merkwürdige Form von Premiere bald geben.
Allofs verweigerte dem Coach nach dem sechsten Spiel ohne Sieg und dem Abrutschen auf Platz 14 in der Tabelle demonstrativ die Rückendeckung. Er tat genau das Gegenteil und stellte Hecking nach dem 0:1 (0:0) gegen Aufsteiger RB Leipzig infrage. So heizte er die Diskussion beim Krisenclub an.
Die entscheidende Frage, ob es mit Hecking weitergehe, beantwortete der Sportdirektor des teuer zusammengestellten Bundesligisten nicht mit einem klaren: «Ja!». Stattdessen sagte Allofs: «Wir wollen uns erstmal zusammensetzen und diskutieren und dann hoffentlich zu der richtigen Entscheidung kommen.» Eine Trainerentlassung sei der «Mangel an anderen Ideen».
Deutlicher kann ein Trainer kaum infrage gestellt werden. Die Partie in Darmstadt wird für Hecking ein Endspiel – bestenfalls. «Klaus Allofs muss nicht ständig ein Plädoyer für den Trainer halten», sagte der seit Dezember 2012 in Wolfsburg tätige Coach und fügte an: «Was soll ein Sportdirektor sagen?»
Zum Beispiel hätte der Sportdirektor ein klares Bekenntnis abgeben können oder – wie vor zwei Wochen nach der Partie gegen Mainz (0:0) – der Trainerfrage ausweichen können und die Diskussion nicht – wie nun nach der Leipzig-Partie – befeuern müssen.
Genau das tat Allofs. Aus dem Aufsichtsrat des VfL ist zwar noch nichts zu hören. Das vor allem aus VW-Managern zusammengesetzte Gremium hat eigentlich andere Sorgen als die VfL-Thematik, es wird aber letztlich mitentscheiden.
Die Zahlen sprechen auf jeden Fall nicht für Hecking. Seit dem Auftakterfolg gegen Augsburg holte der VfL in dieser Saison lediglich drei Punkte, jeweils mit Nullnummern. Für eine mit 50 Millionen Euro verstärkte Mannschaft ist das viel zu wenig.
Mit Blick auf das Kalenderjahr 2016 ist es noch schlimmer. Der VfL holte mit einem Kader, der für die Champions League zusammengekauft wurde, aus 24 Spielen gerade einmal 25 Punkte. Das ist eher die Bilanz eines Absteigers.
Das Duell mit Aufsteiger Leipzig machte den Unterschied zwischen einer Spitzenmannschaft und dem VfL besonders deutlich. Dem schnellen, technisch sicheren und taktisch ausgereiften Spiel des Bundesliga-Neulings hatte der Pokalsieger von 2015 mit zunehmender Spielzeit nichts entgegenzusetzen.
Technik und Taktik lassen sich schwer in Zahlen ausdrücken, die Laufleistung schon. 112,42 zu 117,66 Kilometern sind eindeutig. «Als Cheftrainer hast du immer die Verantwortung, für alles was passiert», sagte Hecking. Und er wolle «die Mannschaft jetzt so aufzubauen, dass sie in Darmstadt erfolgreich spielt.» Es könnte seine letzte Chance sein.
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(dpa)