Leichtathletik

Armin Hary wird 80 – Leichtathletik «prickelt nicht mehr»

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Berlin – Für den freundlichen Fotografen holt der Mann mit den weißen Haaren sogar noch mal die 57 Jahre alten Gold-Spikes raus, doch für die Leichtathletik hat Armin Hary heute kaum noch etwas übrig.

«Das ist nicht mehr mein Ding, weil ich keine Typen mehr sehe. Es prickelt nicht mehr», sagt einstige Sonnyboy, der 1960 mit einem kuriosen 100-Meter-Weltrekord Sportgeschichte schreibt, der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview.

Mit zwei Olympia-Goldmedaillen krönt der Bergmannssohn aus dem Saarland noch im gleichen Jahr in Rom seine kurze, aber spektakuläre Sportkarriere. Am Mittwoch feiert Armin Hary im niederbayerischen Adlhausen seinen 80. Geburtstag.

Der «blonde Blitz» lässt es heute ruhiger angehen, er spielt nicht mal mehr Golf, hat sich ein E-Bike zugelegt. Armin Hary ist mit sich und der Welt im Reinen, er lebt in der Gegenwart, freut sich auf die Zukunft, die alten Sachen sollen im Keller bleiben. Nur bei den antiken Spikes, da hat er mal eine Ausnahme gemacht – und dann diese irre Geschichte erzählt von seinem Gold-Lauf in der Ewigen Stadt.

«Ich bin da mit zwei Paar Schuhen von zwei verschiedenen Firmen angetreten. Mit Puma bin ich gelaufen, und bei der Siegerehrung hatte ich Adidas an», berichtet der Saarländer über seine «Bauchentscheidung». In einigen Artikeln sei sogar behauptet worden: «Der ist mit einem Adidas-Schuh gelaufen und mit einem Puma-Schuh.» Eine Woche nach seinem Triumph über 100 Meter am 1. September 1960 holt er mit der DLV-Sprintstaffel über 4×100 Meter sein zweites Gold.

Hary ist für seinen Blitzstart bekannt – oft ist er schneller als der Knall der Pistole. Seine Karriere ist schon vorbei, ehe sie so richtig in Fahrt kommt. Andere hätten sich diese vier tollen Jahre, von 1957 bis Ende 1960, gewünscht. Und diesen einen Tag: Am 21. Juni 1960 sorgt Hary auf der Aschenbahn im Zürcher Letzigrund-Stadion für ein bühnenreifes Spektakel.

Hary siegt in 10,0 Sekunden, doch das Rennen wird wegen eines angeblichen Fehlstarts annulliert. Der deutsche Journalist Gustav Schwenk drängt ihn zur Wiederholung. Nur drei Sprinter schnellen aus den Blöcken, als es 35 Minuten später wieder knallt, und nach 45 explosiven Schritten ist der Deutsche im Ziel: 10,0 Sekunden – diesmal gilt der Weltrekord. Kein Europäer und schon gar kein Deutscher schnappt sich nach Hary jemals wieder die prestigeträchtigste Bestmarke der Leichtathletik.

Doch Hary braucht auch drei Anläufe, bis die 10,0 schließlich in den Rekordbüchern steht. Schon am 6. September 1958 rennt er diese Traumzeit bei einem Provinz-Sportfest in Friedrichshafen. Aber die Aschenbahn weist auf 100 Metern ein Gefälle von 10,9 Zentimetern auf – neun Millimeter zu viel.

Der Junge aus dem saarländischen Quierschied spielt erst Fußball, dann Handball und Geige, erst spät erwacht seine Liebe zur Leichtathletik. Der gelernte Feinmechaniker ist Sportstudent, Tellerwäscher, Kaufmann, Immobilienmakler und Baustoffgroßhändler. Aber auch ein Schlitzohr: Für falsche Spesenrechnungen und einen aufmüpfigen Presseartikel wird er gesperrt, wegen dubioser Grundstücksgeschäfte kommt er Anfang der 1980er Jahre mit dem Gesetz in Konflikt. Nach einem Autounfall im November 1960 ist das Knie kaputt – Anfang Mai 1961 erklärt er seinen Rücktritt.

Auf seine sportlichen Erfolge ist Hary stolz. «Aber weil ich immer der böse Bube war, ist das nicht so richtig zur Geltung gekommen. Bei den Fans, da hatte ich immer einen Stein im Brett, aber die Funktionäre, das war immer ein rotes Tuch», erzählt der Jubilar, der sich mit seiner 2006 gegründeten Stiftung zur kommunalen Förderung jugendlicher Sporttalente einen Namen macht. Dafür erhält er 2008 das Bundesverdienstkreuz. Und noch heute, 57 Jahre nach seinen Olympiasiegen, bekommt er täglich Autogrammwünsche aus aller Welt.

Fotocredits: Sven Hoppe
(dpa)

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