London – Vorjahressiegerin Angelique Kerber hatte es nach ihrem überraschenden Ausscheiden in Wimbledon eilig, die berühmte Tennis-Bühne zu verlassen.
Ein Jahr nach ihrem glanzvollen Final-Coup blamierte sich die 31-Jährige mit einer enttäuschenden Vorstellung und scheiterte an einer angeschlagenen Außenseiterin. In skurrilen 1:54 Stunden an der Londoner Church Road wehrte sich die Kielerin kaum und schien sich beim 6:2, 2:6, 1:6 gegen die Weltranglisten-96. Lauren Davis in ihr Schicksal zu ergeben.
«Natürlich bin ich enttäuscht», sagte Kerber: «Natürlich ist das nicht der Weg, wie ich das Turnier beenden wollte. Du musst das akzeptieren. Du musst versuchen, das so schnell wie möglich zu vergessen.» Sie habe «von Beginn an nicht gut gespielt», sagte die beste deutsche Tennisspielerin: «Die Energie war nicht da, ich weiß nicht, warum.»
Für Davis war das Spiel «beinahe surreal», sagte die Überraschungssiegerin aus den USA, als Kerber schon verschwunden war. Als ihr die Partie nach gewonnenem ersten Satz auf Court 2 aus der Hand geglitten war, winkte die frühere Nummer eins der Welt mehrfach ab und haderte mit sich. «Was soll ich machen?», fragte sie einmal ratlos.
An einem warmen Sommertag verabschiedete sich damit drei Tage nach dem desaströsen Erstrunden-Aus von Alexander Zverev auch die dreimalige Grand-Slam-Siegerin unerwartet früh. Dass Jan-Lennard Struff und Julia Görges am Samstag um den Einzug ins Achtelfinale spielen, wurde zur Nebensache. Wie Kerber schied auch die Metzingerin Laura Siegemund in der zweiten Runde aus.
Das Bild, das Kerber in ihrem zweiten diesjährigen Auftritt abgab, passte sogar nicht zu dem Eindruck, den sie in den ersten Tagen nach ihrer Rückkehr an die Stätte des größten Triumphes hinterlassen hatte. Die Schleswig-Holsteinerin hatte sich gelöst präsentiert, betont, wie wohl sie sich fühle und wie sehr sie sich freue, wieder auf Rasen zu spielen.
Vor zwölf Monaten hatte die Linkshänderin im altehrwürdigen All England Lawn Tennis and Croquet Club imponiert und sich mit einem Final-Triumph über die US-Amerikanerin Serena Williams zur ersten deutschen Wimbledonsiegerin seit Steffi Graf 1996 gekürt. Nun scheiterte die Finalistin so früh wie zuletzt vor sechs Jahren. All die Hoffnungen auf den nächsten Coup von Kerber wurden schon nach dem vierten Turniertag obsolet, weil sie sich von einer Außenseiterin düpieren lies.
In den ersten vier Spielen hatten sich die Breaks aneinandergereiht, dann gab die Vorjahressiegerin bis zum ersten Satzgewinn zunächst kein Spiel mehr ab. Beim 2:2 im ersten Satz rutschte die 25-jährige Davis auf dem Rasen weg und ließ sich nach dem ersten Satz auch noch den linken Fuß verbinden. Ohnehin war die 1,57 Meter große Athletin schon von Anfang am linken Knie bandagiert und hatte Tapestreifen auf der rechten Schulter. Zwischen den Ballwechseln schien Davis manchmal zu humpeln, bezwang Kerber aber dennoch.
Insgesamt unterliefen der Außenseiterin aus den USA zwar 50 unerzwungene Fehler, sie machte aber auch 45 direkte Punkte. Kerber leistete sich 31 leichtere Fehler, bei nur 13 Gewinnschlägen. Zwei Matchbälle wehrte die deutsche Nummer eins noch ab, dann war die Überraschung perfekt.
Vorjahres-Halbfinalistin Görges und Davis-Cup-Spieler Struff sind dagegen beim Rasenklassiker in die dritte Runde eingezogen. Der 29-Jährige aus Warstein zeigte beim 6:4, 6:3, 5:7, 7:6 (7:2) gegen den US-Amerikaner Taylor Fritz phasenweise eine glänzende Vorstellung. «Ich bin sehr glücklich über den Sieg. Die ersten zwei Sätze waren unglaublich gut», sagte der Sauerländer, nachdem er sein bestes Wimbledon-Resultat aus dem Vorjahr eingestellt hatte.
Mit einem weiteren Sieg am Samstag würde der Paris-Achtelfinalist auch in Wimbledon erstmals die zweite Woche erreichen. 2018 war Struff in der dritten Runde gegen den Schweizer Rekord-Grand-Slam-Sieger Roger Federer ausgeschieden. Diesmal sind die Chancen realistischer. Sein Wunsch erfüllte sich, gegen den Kasachen Michail Kukuschkin und nicht gegen den amerikanischen Aufschlagspezialisten John Isner ran zu müssen.
Görges erledigte anschließend ihre Pflichtaufgabe gegen die Russin Warwara Flink und beendete nach 70 Minuten mit einem 6:1, 6:4 die Zweitrunden-Partie gegen die Qualifikantin aus Russland. Der Nummer 17 der Welt unterliefen zwar auch 25 unerzwungene Fehler, aber auch ihre 10 Asse halfen ihr, nie die Kontrolle über die Begegnung zu verlieren. Bei 5:3 ließ die Bad Oldesloerin noch einen Matchball aus, bei eigenem Aufschlag ließ sie es sich nicht mehr nehmen. Die 30-Jährige bekommt es nun mit der US-Amerikanerin Serena Williams oder Kaja Juvan aus Slowenien zu tun.
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(dpa)