Hannover (dpa) – Dieter Hecking hatte schon vor der Saison so eine Vorahnung. «Insgesamt wird es vom Tabellenbild kompakter. Die Ausgeglichenheit wird verschärft», sagte der Coach von Borussia Mönchengladbach da im dpa-Interview.
«Das kann die spannendste Bundesligasaison aller Zeiten werden, weil viele Vereine viel Geld eingenommen haben», ergänzte Hecking. Spätestens seit dem Rückrundenstart ist klar: Unrecht hatte Hecking nicht. Nach dem 19. Spieltag trennen die Champions-League-Ränge und Hertha BSC auf Platz elf gerade einmal sechs Punkte. Die halbe Liga kämpft damit um den Europapokal-Einzug.
«Auch die heutigen Ergebnisse zeigen, dass es keine einfachen Spiele in der Liga gibt», sagte Hecking nun nach dem 2:0 am Samstag gegen den FC Augsburg, wodurch seine Borussia wieder in die Spitzengruppe sprang. Was der Gladbach-Coach indes falsch prognostizierte, ist die Sonderstellung des FC Bayern. Der mal wieder kaum mehr einzuholende Tabellenführer ist unter Jupp Heynckes auch wegen des Unvermögens der Konkurrenz weggezogen. Das hatte Hecking anders erwartet.
Borussia Dortmund ist nach fulminantem Saisonstart und dem Einbruch unter Trainer Peter Bosz längst eine einzige Enttäuschung. Auch mit Nachfolger Peter Stöger ist der BVB mehr mit sich und seinem bockigen Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang beschäftigt. Bayer Leverkusen ist unter Neu-Coach Heiko Herrlich erst spät in die Gänge gekommen und bei Gladbach, Leipzig und Hoffenheim wechseln sich begeisternde Auftritte und Enttäuschungen in schöner Regelmäßigkeit ab.
Das Gefühl, in dieser Saison leichtfertig Chancen liegen gelassen zu haben, zehrt an der Nerven. Zu spüren war und ist das immer mal wieder besonders auch in Gladbach, wo in den vergangenen Jahren eine große Erwartungshaltung entstanden ist. Als es dem Publikum Mitte Dezember gegen den Hamburger SV nicht schnell genug nach vorne ging, gab es Pfiffe von den Fans. Was wiederum Manager Max Eberl auf die Palme brachte. «Wir reißen uns acht Jahre den Arsch auf, damit wir mal gegen Barcelona spielen dürfen und dann wird hier gepfiffen, wenn wir mit zwei 18-Jährigen spielen und der Ball mal nach hinten gespielt wird», hatte Eberl unter anderem nach dem letztlich sogar 3:1 gewonnenen Spiel gegen den HSV gepoltert.
Immerhin haben es Gladbach, Leverkusen und auch der FC Schalke nach dem Verpassen des Europapokals in der Vorsaison in diesem Jahr ohne Dreifachbelastung wieder geschafft, in die Gruppe der Bayern-Verfolger zurückzukehren. Was die Liga noch ausgeglichener macht. «Ich denke, dass es in diesem Jahr schwerer ist, auch auf lange Sicht oben dranzubleiben. Denn in dieser Saison stehen da wieder alle Mannschaften, die von ihrem Budget und ihrer Qualität auch dorthin gehören», sagte Frankfurts Coach Niko Kovac, der mit seinem Team als Siebter nur einen Zähler hinter den Champions-League-Plätzen rangiert.
So eng das Rennen hinter den Bayern auch ist – schmeichelhaft für die Liga ist es nicht gerade, ist die Ausgeglichenheit doch auch Ergebnis mangelnder Konstanz. Gladbach etwa begeisterte mitunter wie beim Sieg gegen die Bayern Ende November und ging nur eine Woche später in Wolfsburg (0:3) unter. Hinzu kamen die Aussetzer in Dortmund (1:6) und gegen Leverkusen (1:5). Frankfurt zum Beispiel schockiert die Konkurrenz in Auswärtsspielen beständig mit gnadenloser Effizienz wie beim 3:1 am Samstag in Wolfsburg. Das zweitbeste Auswärtsteam der Liga mit 2,1 Punkten im Schnitt ist daheim aber harmlos. Mit durchschnittlich gerade mal einem Zähler ist die Eintracht zu Hause das drittschlechteste Team.
Bei so viel gegensätzlichen Leistungen der Clubs war es für die Bayern nach dem schwierigen Saisonstart unter Carlo Ancelotti ein Leichtes, unter Heynckes wieder davonzuziehen. In der Bundesliga geht es längst nur noch um den Besten vom Rest. Dieser Wettlauf erfordert Geduld. «Man braucht einen langen Atem», formulierte Hecking. Das «Best of the rest» ist spannend wie selten.
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