Brisbane – Nur auf den abendlichen Mannschaftsausflug in den Escape Room verzichtete Boris Becker.
Während ein Teil der verkleideten deutschen Davis-Cup-Delegation mit Alexander Zverev an der Spitze eine Stunde Zeit hatte, um sich durch das Lösen verschiedener Rätsel aus einem geschlossenen Raum zu befreien, blieb der verantwortliche Herren-Chef des Deutschen Tennis Bundes lieber im Teamhotel «Mantra South Bank» direkt am Brisbane River und machte sich Gedanken über die knifflige Erstrunden-Aufgabe in Australien.
Für Becker ist die Partie am Wochenende in der Pat-Rafter-Arena der zweite Einsatz in seiner Funktion als sogenannter Head of Men’s Tennis im DTB. Ende August war der dreimalige Wimbledonsieger bei einer Festakt-ähnlichen Veranstaltung im Frankfurter Römer präsentiert worden, im September gelang der deutschen Auswahl in Portugal der Verbleib in der Weltgruppe der besten 16 Nationen.
Seitdem ist viel über den Becker-Faktor spekuliert und gemutmaßt worden. Was genau macht ein Funktionär mit einem derartig sperrigen Titel? Wie genau sieht die Arbeitsaufteilung zwischen dem Teamchef Michael Kohlmann und dem Chefberater Becker aus? Wie groß ist Beckers Einfluss beim Training auf dem Platz mit dem Schläger in der Hand oder auf der Bank beim Match mit der berühmten Faust als Geste?
«Ich sehe alle Spieler als mündige Spieler. Die wissen genau, was passiert und wer ihnen helfen kann. Und ich bin überzeugt, dass sie das genauso sehen», sagte der seit November 50-Jährige nach der Auslosung im Riverlife Adventure Center. Becker hatte auf einem weißen Holzstuhl auf dem zum Pressekonferenz-Raum umfunktionierten Ponton Platz genommen, im Hintergrund lärmten in regelmäßigen Abständen die Motoren der Jetski auf. Deutlich vernehmbar waren allerdings Beckers zuletzt gern gewählten Worte, dass er über seine «private Situation nicht reden» werde.
Becker steckt mitten in einem Insolvenzverfahren. Anfang März wird vor dem Kölner Landgericht seine Klage gegen einen Ex-Manager verhandelt. Zuletzt gab es Schlagzeilen über angeblich verschwundene Pokale – doch sobald Becker in seinem Kosmos Tennis unterwegs ist, scheint er all dies entweder auszublenden oder perfekt zu pokern.
Im deutschen Team hört man nur Gutes. Nicht einmal hinter vorgehaltener Hand spricht einer schlecht über Becker. «Es ist etwas ganz besonderes, so eine Legende dabei zu haben. Er sieht viele Dinge noch so ein bisschen wie ein Spieler, das ist eine große Hilfe», sagte Alexander Zverev. «So einen Mann im Team zu haben, kann nur helfen», versicherte Kohlmann. Bei der Premiere in Portugal ruckelte es noch an manchen Stellen. Der Hype um Becker nervte zwischenzeitlich Spieler und Trainer so sehr, dass die Mannschaft in der Abschluss-Pressekonferenz das Wort ergriff und «in dem ganzen Trubel um Boris» die Verdienste Kohlmanns angemessen gewürdigt sehen wollte.
Nun hat es sich eingespielt, beim Training in Brisbane standen zeitweise Becker, Kohlmann und Zverevs Vater Alexander senior gleichzeitig auf dem Platz. Becker ist bei jeder Übungseinheit dabei, er geht abends mit Spielern und Betreuern im Restaurant «Popolo» essen, spielt Skat oder macht während der Auslosungs-Show mit halsbrecherischer Wasserakrobatik ein Handy-Foto nach dem anderen. Becker ist Teil des Teams und scheint schon immer dazuzugehören.
Und selbst der gegnerische Teamchef schreibt dessen Präsenz Bedeutung zu. «Boris ist ein fantastischer Botschafter unseres Sports», sagte Lleyton Hewitt, «und natürlich ein Vorteil für Deutschland».
Fotocredits: Dave Hunt
(dpa)