Bad Ragaz – Thomas Tuchel war nicht zufrieden. Das ambitionierte Aufbauspiel seines Neuzugangs Marc Bartra beim mäßigen 1:1 (1:0) im Test gegen den AFC Sunderland veranlasste den Trainer von Borussia Dortmund zu lautstarken Korrekturen.
«No, No – Marc» – rief er dem vom FC Barcelona verpflichteten Innenverteidiger bei fast jedem Versuch zu, mit langen Pässen die gegnerische Abwehr zu überwinden. Das Bestreben von Bartra, die Stärken seines Vorgängers Mats Hummels zu kopieren, ging Tuchel gegen den Strich.
Der für acht Millionen Euro verpflichtete Profi tritt beim Revierclub ein schweres Erbe an. Schließlich galt der zum FC Bayern gewechselte Weltmeister Hummels bei der Borussia nicht nur in der Defensive, sondern auch im Aufbauspiel als Schlüsselspieler. Ähnliches hat Tuchel mit Bartra im Sinn, hält aber wenig von dessen anfänglichem Übereifer. Zunächst soll sich der 25-Jährige mit sicheren Pässen in das auf viel Ballbesitz angelegte BVB-Spiel einbringen. «Ich bin sehr einverstanden von dieser Idee des Fußballs», kommentierte Bartra, «es ist kein so großer Unterschied zum FC Barcelona.»
Anders als im katalanischen Edelkader, wo er nur selten den Vorzug vor seinen starken Konkurrenten Gerard Piqué und Javier Mascherano erhielt, will der neunmalige spanische Nationalspieler beim Revierclub den Sprung in die Stammelf schaffen. Allein seine erstaunliche Trophäensammlung mit zwei Champions-League-Titeln, fünf spanischen Meisterschaften und zwei Pokalsiegen gilt als Empfehlung.
Die Vergleiche mit Hummels schmeicheln Bartra. Für abwegig hält er sie jedoch nicht: «Auch ich mag es, von der Verteidigungslinie durchzustarten.» Der langjährige Barça-Profi und einstige Guardiola-Schützling ist guter Dinge, den Anpassungsprozess schnell abzuschließen: «Ich bin dieser Aufgabe gewachsen. Tuchel hat mir das Selbstvertrauen gegeben, dass ich zur Dortmunder Mannschaft passe.»
Neben Bartra soll auch Raphael Guerreiro die Abwehr des Revierclubs stabilisieren – und zum schnellen Umschalten beitragen. Beim EM-Titelgewinn in Frankreich stellte der portugiesische Nationalspieler vom FC Lorient seine Qualitäten auch im Offensivspiel eindrucksvoll unter Beweis. Das dürfte den Marktwert des vom BVB noch vor dem EM-Start für 12 Millionen Euro verpflichteten Linksverteidigers beträchtlich erhöht haben. Schließlich wurde der in Frankreich ausgebildete 22 Jahre alte Profi von der UEFA in die Elf des Turniers berufen.
Tritt Guerreiro auch bei seinem neuen Club ähnlich stark auf wie zuletzt in der Nationalmannschaft, müsste Marcel Schmelzer um seinen Stammplatz bangen. Als Selbstläufer sieht der Neuzugang diesen Konkurrenzkampf jedoch nicht. «Dass ich Europameister geworden bin, ist nicht damit zu vergleichen, was Marcel Schmelzer in vielen Bundesligaspielen für den BVB geleistet hat. Ich schaue zu ihm auf und hoffe, möglichst viel von ihm zu lernen.» Schmelzer gewinnt der neuen Ausgangslage positive Seiten ab: «Wenn zwei gute Spieler für eine Position da sind, profitieren beide, weil sie sich zu Höchstleistungen jagen.»
Nicht auszuschließen ist, dass Guerreiro auch auf anderen Positionen eingesetzt wird. Bei seinem kurzen Debüt gegen Sunderland beorderte ihn Tuchel überraschend ins defensive Mittelfeld. An der Bereitschaft für solche Experimente mangelt es dem Portugiesen nicht: «Ich hatte mit dem Trainer schon in den ersten Gesprächen über diese Möglichkeiten gesprochen.»
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(dpa)