St. Christina in Gröden – Die Frage nach dem Geheimnis bekommt Christian Mitter, der Trainer des besten Speedteams der Welt, oft gestellt.
Und doch ist sie nicht leicht zu beantworten. Warum sind die norwegischen Skirennfahrer Aksel Lund Svindal (33) und Kjetil Jansrud (31) gemeinsam mit ihrem jüngeren Teamkollegen Aleksander Aamodt Kilde (24) in den vergangenen Jahren so viel besser als Österreicher, Franzosen, Schweizer oder Italiener – und als die Deutschen ohnehin?
Seitdem Jansrud und Svindal am 3. März 2012 vor heimischem Publikum in Kvitfjell erstmals gemeinsam auf einem Podest im Weltcup standen, sind in 68 weiteren Speedrennen 55 Top-Drei-Resultate dazu gekommen – darunter 17 Siege im Super-G und 16 in einer Abfahrt. Kein Land hat eine bessere Bilanz. Die stolze Skination Österreich – auf Rang zwei in dieser virtuellen Wertung – kommt im gleichen Zeitraum auf zwölf Siege. Insgesamt. In beiden Disziplinen.
Vor einem Jahr, beim Super-G im Grödnertal auf der berühmten Saslong, standen nur Norweger auf dem Podest: 1. Svindal, 2. Jansrud, 3. Kilde. Die «Wikinger», wie sie sich selbst nennen, hatten geplündert.
Vor der Rückkehr nach Südtirol mit einem Super-G am Freitag und der Abfahrt am Samstag also die Frage: Was ist das norwegische Geheimnis, Herr Mitter? «Das hört sich kitschig an, aber wir versuchen gemeinsam besser zu werden», antwortet der Österreicher. «Wir trainieren schon die individuellen Bedürfnisse, aber wir wollen den Wissenstransfer und den Erfahrungsaustausch. Das ist in anderen Systemen anders, wo jeder seinen Lieblingstrainer seinen Lieblingshang hat und man sich erst zu den Rennen wieder trifft.»
Svindal lernte von Kjetil Andre Aamodt, Jansrud von Svindal, Kilde hört nun auf beide. In Val d’Isère, dem ersten Speedwochenende des WM-Winters, gewann Jansrud vor zwei Wochen Super-G und Abfahrt, Svindal landete auf den Plätzen zwei und drei.
Das Bemerkenswerte: Svindal hatte nach seinem Totalschaden im Knie, zugezogen bei einem Sturz auf der Streif in Kitzbühel im Januar, erst zwei Wochen Training absolviert. Aber diese zwei Wochen verbrachte er eben mit Jansrud und Kilde, der «besten Mannschaft der Welt», wie Svindal in Frankreich betonte. «Ich glaube, die brauchen diese Rahmenbedingungen. Skifahren ist ein Einzelsport – aber irrsinnig abhängig von einem Team», betont Mitter. «Man muss sich wohl fühlen in seinem Umfeld. Das Team ist die Familie im Winter.»
Natürlich, der äußerst talentierte Svindal zähle zu den «absoluten Extremsportlern und Ausnahmeburschen», sagt Mitter. Der fünfmalige Weltmeister und Olympiasieger habe noch nicht wieder das Gefühl von vor dem Kreuzbandriss, dem Meniskus- und Knorpelschaden. «Auch vom Kopf her ist das nicht leicht.»
Zu Podestplätzen reicht es aber schon wieder – wenn auch vorläufig noch geschlagen vom eigenen Teamkollegen. Das aber sei kein Gift fürs Binnenklima. «Beide sind sehr gut im Gewinnen – und im Verlieren eigentlich auch», berichtet Mitter. «Natürlich wollen sie selbst gewinnen. Aber wenn sie selbst nicht gewinnen können, freuen sich für den Norweger am meisten.» Und das ziemlich oft.
Fotocredits: Guillaume Horcajuelo
(dpa)