Oeiras – Vor seiner Premiere als neuer Chef im deutschen Herren-Tennis musste Boris Becker erst einmal in der zweiten Reihe Platz nehmen.
Das graue Jackett über das Knie gelegt und mit schwarz-rot-goldener Trainingsjacke über der Anzughose saß der dreimalige Wimbledonsieger auf einem weißen Plastikstuhl im Palácio Marquês Pombal von Oeiras und verfolgte die Auslosung für das Davis-Cup-Abstiegsduell in Portugal.
In dem rund 20 Kilometer westlich von Lissabon gelegenen Ort an der Atlantikküste kämpft eine deutsche B-Auswahl am Wochenende gegen den Abstieg aus der Weltgruppe der besten 16 Tennis-Nationen.
Nach den Absagen von Alexander Zverev, Mischa Zverev und Philipp Kohlschreiber sollen Jan-Lennard Struff (Warstein/Ranglisten-54.), Cedrik-Marcel Stebe (Vaihingen/90.) und die Debütanten Yannick Hanfmann (Karlsruhe/136.) und Tim Pütz (Frankfurt/Main/380.) den ersten Absturz einer deutschen Auswahl in die Zweite Liga und die sogenannte Europa/Afrika-Zone seit 14 Jahren vermeiden.
«Ich hoffe, dass ich mit meiner Präsenz und meinen Worten etwas Druck von den Spielern nehmen kann», sagte Becker. «Wenn ich mehr im Fokus stehe und die Spieler dadurch etwas ruhiger in das Spiel gehen können, ist das gut.» Stebe und Struff sind zwar Davis-Cup-erfahren und haben auch schon entscheidende Punkte geholt, das öffentliche Rampenlicht wie nun in Portugal ist aber ihre Sache nicht.
Stebe eröffnet am Freitag (12.00 Uhr MESZ) gegen Portugals Nummer eins Joao Sousa (57.). Das zweite Einzel bestreitet Struff gegen Pedro Sousa (107.). «Von der Papierform her sind wir nominell etwas besser, aber der Unterschied ist marginal», sagte Kohlmann.
Becker saß zunächst inmitten der Zuhörer im Plenum, machte ein paar Aufnahmen mit seinem Handy, plauderte ein wenig mit DTB-Sportdirektor Klaus Eberhard und lächelte kurz, als der nervöse Bürgermeister Paulo Vistas recht herzlich das «dutch» Team begrüßte.
Nach seiner von reichlich Getöse begleiteten Präsentation als Head of Men’s Tennis im Deutschen Tennis Bund Ende August im Frankfurter Römer steht Becker nun vor seinem ersten offiziellen und öffentlichkeitswirksamen Auftritt in neuer Funktion.
Und natürlich drängten sich die Reporter und Kameraleute später im gepflasterten Innenhof an dem Stehtisch um den 49-Jährigen, während Struff & Co. recht entspannt im Schatten der Bäume standen. Am Mittwochabend traf Becker beim offiziellen Teamdinner erstmals auf die völlig neu zusammengestellte Mannschaft und nutzte die Zeit bis zum Hauptgang um kurz vor zehn, um Einzelgespräche mit jedem Spieler zu führen. «Ich habe einen sehr guten Eindruck, die Atmosphäre ist positiv, alle sind bereit für das Wochenende», sagte Becker.
Nur auf ein Gedankenspiel wollte er sich partout nicht einlassen. Ob denn nun ein Abstieg, ausgerechnet bei seinem Einstand, einer sportlichen Katastrophe gleichkommen würde? «Das sind für mich ungelegte Eier», sagte Becker und fügte fast schon philosophisch an: «Ich spreche nie vor einem Spiel über Möglichkeiten. Wir spielen auf Sieg und alles andere findet bei mir im Kopf nicht statt.»
Fotocredits: John Walton
(dpa)