München (dpa) – Direkter Kontakt zu ihren Angehörigen ist für die abgeschotteten Profis beim Meisterturnier der Basketball-Bundesliga im Quarantäne-Hotel normalerweise streng verboten.
Der Erfolgszug von MHP Riesen Ludwigsburg bis ins Halbfinale wird für Coach John Patrick dennoch auch zur Familiensache: Die Teenager-Söhne Jacob und Johannes bekommen in München sein Vertrauen – und stehen erstmals auf dem Bundesliga-Parkett. «Es ist nicht so, dass er mich besonders behandelt, weil ich sein Sohn bin», berichtet der 16 Jahre alte Jacob über die Beziehung. «In der Halle bin ich Spieler und er ist der Trainer. Wenn das Training fertig ist, ist er mein Vater.»
Dabei sorgt besonders der jüngere Patrick-Sohn in München für Furore. In seinem erst zweiten Auftritt im Profiteam überhaupt erzielte der Guard als jüngster Spieler der Bundesliga-Geschichte seit elektronischer Datenerfassung Punkte, versenkte dabei gleich zwei Dreier und durfte beim Viertelfinal-Coup über den FC Bayern fast zwölf Minuten aufs Feld. Und auch beim 71:71 im Halbfinal-Hinspiel gegen ratiopharm Ulm um den ersten Endspiel-Einzug in der Geschichte des Clubs setzte John Patrick phasenweise auf den Youngster, der sich mit dem doppelt so alten Ex-Nationalspieler Per Günther duellierte.
«Ich freue mich für ihn als mein junger Spieler und auch als mein Sohn», sagte Coach Patrick während des Turniers. «Wie unsere anderen NBBL-Spieler (Nachwuchs-Bundesliga) träumen sie von einer Zukunft, dass sie vielleicht in der BBL spielen können.» Der erfahrene gebürtige Amerikaner, der seit 2003 fast durchgehend in Deutschland tätig ist, setzt wie seine Jungs auf eine strikte Rollentrennung. «Auf dem Feld bin ich sehr streng mit ihnen, das ist ein professioneller Job. Wir wollen das richtig machen», sagte der 52-Jährige dem SWR. «Zu Hause bin ich dann wieder Papa.»
In München fehlen den Riesen ihre Guards Khadeen Carrington und Konstantin Konga, so dass Jacob und der zwei Jahre ältere Johannes den Sprung ins Aufgebot geschafft haben. Als dritter Patrick-Sohn ist Julian (20) als Trainer im Jugendbereich in Ludwigsburg tätig.
So dominiert in der Familie Patrick vor allem ein Thema. «Wir reden schon viel über Basketball und schauen auch viel Basketball», sagt Jacob, dessen weißblonden Haare wie bei seinem Vater hervorstechen. Eigentlich wären die Schulferien für den Junioren-Nationalspieler bereits beendet – mit Online-Unterricht bleibt der 16-Jährige auch während des Turniers auf dem Laufenden.
Wegen wichtiger Prüfungen musste hingegen der 18 Jahre alte Ariel Hukporti vorübergehend die Ludwigsburger verlassen. Insgesamt stehen im Kader der Riesen fünf deutsche Talente, die unter 20 sind. Damit bestätigen die Schwaben einen Trend des Turniers. «Ich habe den Eindruck, dass es sich mehr getraut wird, junge Spieler einzusetzen – auch in wichtigen Phasen des Spiels. Das habe ich sonst in Playoffs nicht gesehen», sagte Ulms Sportdirektor Thorsten Leibenath der Deutschen Presse-Agentur.
Dass auch andere Teams in München vermehrt ihre Jugendspieler einbauen, ist zwar auch Verletzungen anderer Profis und den Umständen der Coronavirus-Krise geschuldet. Doch Leibenath hat auch andere Gründe dafür ausgemacht. «Ich denke, es spielt ein Stück weit eine Rolle, dass die Plätze in Euroleague und Eurocup vergeben sind», sagte der langjährige Coach. «Und wir sind froh, dass wir überhaupt Basketball spielen. Man macht sich als Trainer vielleicht nicht mehr ganz so viele Gedanken über die Konsequenzen einer Niederlage.»
Fotocredits: Tilo Wiedensohler