Königssee (dpa) – Die unverhoffte Heim-WM am Königssee nimmt den deutschen Bobpiloten die Chance zur sportlichen Ehrenrettung.
Eigentlich wollten die Kufencracks nach der Schmach der Winterspiele von Sotschi bei der Rückkehr auf die Olympia-Bahn ihre Titelfähigkeit beweisen, doch nach dem Entzug der WM wegen der Doping-Affäre um Russland ist plötzlich alles anders. So ist die Freude über den Heimvorteil im deutschen Lager auch eher gedämpft. «Der Druck ist nicht weniger, im Gegenteil, er ist daheim noch größer», sagt Cheftrainer René Spies.
Auch die Spitze des Bob- und Schlittenverbands für Deutschland geht mit gemischten Gefühlen in die kurzfristig organisierte WM am Königssee. Sportpolitisch sei die Entscheidung des Weltverbands nach den im McLaren-Report veröffentlichten Doping-Vorwürfen gegen Russlands Wintersportler ein positiver Meilenstein, meint BSD-Sportdirektor und Generalsekretär Thomas Schwab. Aus sportlichen Gründen aber wäre das deutsche Team gern im olympischen Eiskanal von 2014 angetreten. «Unsere Jungs hätten sehr gerne bewiesen, dass sie in Sotschi konkurrenzfähig sind», sagt Schwab.
Stattdessen musste der BSD nur drei Wochen nach dem Heim-Weltcup erneut eine Großveranstaltung organisieren. «Wenn wir es machen, dann machen wir es richtig, mit allen Drum und Dran», betonte Schwab. Den Auftakt machen am Freitag die Frauen, besonders im Fokus steht indes am Wochenende Francesco Friedrich. Der dreimalige Zweierbob-Champion jagt den Uralt-Rekord des legendären Italieners Eugenio Monti, der von 1957 und 1962 fünf Titel in Serie gewann.
Die größte Konkurrenz droht Friedrich aus dem eigenen Lager. Der zweimalige WM-Zweite Johannes Lochner ist in diesem Winter auf seiner Heimbahn am Königssee noch ungeschlagen. Er gewann das Double in beiden Disziplinen bei der deutschen Meisterschaft, beim Europacup und auch beim Weltcup. «Sollte er den starken Hansi hier schlagen und Weltmeister werden, würde es seine Siegesserie noch mehr aufwerten. Franz ist in überragender Verfassung und weiß, wie er sich mit seinen Jungs auf den Punkt konzentrieren muss», sagte Trainer Gerd Leopold.
Einfach aber hat es Lochner derzeit nicht. Erst stürzte er in St. Moritz, gewann dennoch. Dann stoppte ihn eine Grippe, ehe er zuletzt auch noch wegen zu warmen Kufen disqualifiziert wurde. Nun hat ihn wenige Tage vor dem wichtigsten Saisonrennen erneut ein Virus erwischt. «Wenn er am Start nicht alles rausholen kann, muss er es fahrerisch in vier Läufen in der Bahn wettmachen», meinte Cheftrainer Spies. Trotz nur achtbester Startzeit beim Weltcup vor drei Wochen hatte er dank seiner Ideallinie auch vor Friedrich gewonnen.
Im Viererbob siegte Lochner genauso souverän vor Nico Walther. Der Oberbärenburger hatte zuletzt ebenfalls starke Startzeiten. «Wenn er am Start vorne dabei ist, kann er auch um die Medaillen fahren», sagte Leopold. Walther fährt bei den Männern als einziger Pilot FES-Material und kann sogar noch auf einige Weiterentwicklungen am großen Schlitten hoffen.
Bei den Frauen hängt vieles von den Anschubkräften der spurtschnellen Annika Drazek ab. Die Titelverteidigerin, die vergangene Saison noch bei Anja Scheiderheinze im Weltmeister-Schlitten saß, bringt nun Mariama Jamanka in die WM-Spur. Nach dem grandiosen EM-Titel kann das neu formierte Duo auch um die Medaillen mitfahren.
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