Stuttgart – Die Wahnsinns-Show seines Dauerrivalen Rafael Nadal in Paris schaute sich Rasenkönig Roger Federer nur wenig an. Statt vor dem Fernseher intensiv die French Open zu verfolgen, zog der 35-Jährige lieber strikt seinen eigenen Trainingsplan durch.
Schließlich beginnt für ihn beim kleineren Tennis-Event in Stuttgart in dieser Woche der Weg zu seiner wichtigsten Mission – dem achten Wimbledon-Titel. Nadals Durchmarsch nimmt der Schweizer Tennisstar dafür als zusätzliche Inspiration. «Es ist schön zu sehen, dass man so ein großes Ziel auch erreichen kann. Er hat es jetzt eigentlich vorgemacht», sagte der Rekord-Grand-Slam-Sieger, als er sich nach seinem freiwilligen zweimonatigen Turnierverzicht zurückmeldete.
Was für Nadal die Sandplatz-Bühne von Paris bedeutet, ist für Federer der Rasen im Südwesten Londons: das ultimative Ziel auf seinem Lieblingsbelag. Und nachdem die schon fast abgeschriebenen Tennis-Größen die Titel bei den ersten beiden Grand-Slam-Turnieren unter sich aufgeteilt haben, scheint auch in Wimbledon vom 3. Juli an alles möglich. Als erster Tennisprofi mit acht Wimbledon-Triumphen würde der zweifache Zwillingsvater seine Geschichte ähnlich phänomenal fortschreiben, wie es Nadal in Frankreich gelungen ist.
«Ich hoffe, dass mir das ein bisschen Selbstvertrauen gibt», sagte Federer, der das eigentlich gar nicht nötig haben sollte, mit Blick auf Nadals zehnten Paris-Titel. Er stufte aber den Spanier als großen Konkurrenten ein: «Er wird natürlich mit großem Selbstvertrauen nach Wimbledon kommen, was natürlich nicht ideal ist.»
Mit neuem Kurzhaarschnitt, gut gelaunt und entspannt präsentierte sich Federer am Montag vor seiner Rückkehr ins Wettkampfgeschehen. Freundlich grüßte er, als die zahlreichen extra für ihn bereit gehaltenen Kameras klickten. Alle Zweifel nach seinem Knie-Malheur aus dem Vorjahr scheinen weggewischt. In Melbourne bei den Australian Open sowie bei Masters-Turnieren in Indian Wells und Miami hat Federer 2017 schon gewonnen. Die Tennis-Welt staunte, und auch er konnte seinen «märchenhaften» Saisonstart nicht recht fassen. Weil er mit seinen Kräften haushalten muss, hatte er dann eine Pause eingelegt und die Sandplatz-Saison mit den French Open ausgelassen. «Die absolut richtige Entscheidung», hatte Boris Becker gelobt.
Die Pause soll sich nun in den kommenden Wochen und Monaten auszahlen. Nur fünf Tage machte Federer seit dem 2. April tatsächlich frei. Vor allem feilte er an seinem Spiel sowie an seiner Kondition und sei zum «Trainingsweltmeister» geworden, sagte der 18-malige Grand-Slam-Turniersieger. Die Abstinenz vom Wettkampfgeschehen habe nicht nur seinem Körper, sondern auch dem Kopf gut getan. «Man brennt wieder darauf, Turniere zu gewinnen. Wenn man Woche für Woche spielt, erlischt das Feuer so ein bisschen. Bei mir ist das nicht der Fall.»
Als Erster könnte das am Mittwoch Tommy Haas zu spüren bekommen. Für ein Duell der beiden Kumpel muss der Hamburger Altmeister am Dienstag aber seine erste Aufgabe gegen den Franzosen Pierre-Hugues Herbert meistern. «Er ist einer Super-Freund von mir. Von daher ist es schwierig, gegen ihn mein bestes Tennis auszupacken», sagte Federer. «Aber das wäre schon irgendwie cool.»
Im vergangenen Jahr war der Baseler nach katastrophalen Monaten zur Anlage des TC Weissenhof gereist und im Halbfinale am späteren Turniersieger Dominic Thiem gescheitert. Wegen seines lädierten Knies hatte sich 2016 zu einem Jahr zum Vergessen entwickelt. «Für mich geht das Jahr jetzt erst richtig los», kündigte Federer nun in Stuttgart an. «Ich bin ready.»
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(dpa)