Paris (dpa) – Der Mann ist ein Kraftwerk, auch wenn er nicht so aussieht. Chris Froome fährt nicht elegant, dafür umso effektiver.
Er wiegt bei einer Körpergröße von 1,86 Metern nicht mehr als 67 Kilogramm. Sein Lungenvolumen beträgt acht Liter. Sein Lieblingstrikot ist gelb. Seine Berufung: Tour-Triumphator.
«Er ist ein Champion – der Beste von allen», lobte Radsport-Legende Eddy Merckx den britischen Radprofi. Merckx gewann fünfmal die Tour de France, Froome ist auf dem Weg dahin. «Es ist dasselbe Gefühl, als wäre es das erste Mal», sagte Froome, bevor es am Sonntag auf die Schaufahrt nach Paris im Gelben Trikot des Gesamtführenden ging.
Der phänomenale Froome ist ein Teil der besonderen britischen Mischung, die die Konkurrenz auch bei der 103. Tour de France verzweifeln und staunen ließ. Dem 31-Jährigen steht ein Team zur Seite, das seines Gleichen sucht. Es sei ein «unglaubliches Privileg» mit dieser Mannschaft zu fahren, bekannte Froome.
Er kann sich auf Helfer verlassen, die womöglich als Kapitän auch das Zeug für große Erfolge hätten. «Woanders hätte er vielleicht selbst auf den Toursieg zusteuern können», sagte der deutsche Ex-Profi Rolf Aldag, jetzt Teamleiter beim Konkurrenten Dimension-Data, über Froomes Edel-Geleitschutz Wouter Poels. Auch er fährt aber nur für Froome, der schon 2013 und 2015 die Frankreich-Rundfahrt gewann.
Als Achtjähriger in Kenia verdiente sich der in Nairobi geborene Froome ein bisschen Taschengeld mit dem Verkauf von Avocados – von seinem Rad aus – dazu. 23 Jahre später ist er der Topverdiener im hoch dotierten Sky-Team. Froome soll pro Saison mindestens vier Millionen Euro bekommen, sein Vertrag gilt bis 2018. Für die gesamte Équipe stehen Teamchef Sir Dave Brailsford 16 Millionen Euro allein für Fahrergehälter zur Verfügung.
Geld ist das eine, Leistung das andere. Und Froome präsentierte sich in diesem Jahr auch in einer außerordentlichen mentalen Verfassung. Er steckte die Stürze am Mont Ventoux und in Megève weg. Zudem bereicherte der Brite, der als Kind immer den aggressiven Stil des unermüdlichen deutschen Ex-Radstars Jens Voigt bewundert hatte, sein fahrerisches Portfolio. «Er ist der kompletteste Fahrer von allen und kann noch viele Touren gewinnen», meinte Merckx.
Froome machte sich als Sprinter im Gegenwind verdient. Und er attackierte mit einem waghalsigen Stil bei einer Abfahrt. Es war der Moment, der ihm auch am meisten in Erinnerung blieb. Mit funkelnden Augen schwärmte er vor dem Finale von dieser Schussfahrt. Bergab galt Froome zuvor auch nicht unbedingt als der Stärkste.
Überlegenheit wirft aber vor allem im Radsport immer auch Fragen auf. Angesprochen auf das sogenannte «Motordoping», lächelte Froome zunächst nur ein wenig amüsiert, Brailsford antwortete für seinen Vorzeige-Athleten. Man müsse verrückt sein, wenn man es bei der Tour mit Motordoping versuche, sagte Froome dann aber am Samstag doch noch. Schon vor der Tour hatte sein Teamchef Leistungsdaten seines schmalen Erfolgsgaranten offengelegt. Und allein bis zum zweiten Ruhetag hatte Froome 13 Blutproben abgeben müssen.
Zum echten Liebling der Franzosen reichte es aber auch in diesem Jahr nicht, selbst wenn die Spannungen längst nicht mehr so dramatisch waren wie 2015, als er von Zuschauern unter anderem mit einem Urinbeutel beworfen worden war. Als er sich diesmal nach dem Juryentscheid infolge des unverschuldeten Auffahrunfalls den Mont Ventoux hinauf das Maillot Jaune überzog, gab es lediglich vereinzelte Pfiffe. Als sein dritter Gesamtsieg im Ziel von Morzine auf der vorletzten Etappe praktisch feststand, schwärmte Froome dennoch von den fantastischen Zuschauern und der großartigen Stimmung.
Und mit dem geliebten Gelben Trikot wieder nach Paris fahren zu können, bleibt für Froome sportlich ohnehin das Größte. Privat kann er sich zudem freuen, endlich seinen nicht mal ein Jahr alten Sohn wiederzusehen. «Es waren lange drei Wochen», schrieb Froome bei Twitter über ein Foto des kleinen Buben, der standesgemäß auch schon ein Tour-T-Shirt trug – in gelb, versteht sich.
Fotocredits: Yoan Valat