Hamburg – Angelique Kerber aus Kiel und Julia Görges aus Bad Oldesloe wollen in Wimbledon ins Finale. Zwei deutsche Tennis-Damen im Endspiel hat es erst einmal gegeben – und das ist 87 Jahre her. Einer, der am TV-Schirm mitfiebert, ist Herbert Horst.
«Herby», wie er genannt wird, ist Tennis-Verbandstrainer von Schleswig-Holstein. Er hat beide als Jugendliche trainiert. «Da kann ein großer Traum in Erfüllung gehen», sagt der 62-Jährige über die Aussichten des Duos.
Frage: Ihre einstigen Schützlingen sorgen in Wimbledon für Furore. Können Sie noch ruhig bleiben?
Herbert Horst: «Ich bin sehr froh und auf beide stolz. Dass es so hervorragend läuft, ist nicht selbstverständlich. In Wimbledon ganz weit vorn zu sein, das ist eine Mega-Leistung. Ich hoffe, dass sie ins Finale kommen. Das wäre ziemlich einmalig.»
Frage: Wann haben Sie die beiden trainiert?
Horst: «Angie habe ich ungefähr vom 12. bis zum 16. Lebensjahr trainiert, Julia von 15 bis 17. Mit Angie hatte ich mehr zu tun. Julia ist später stärker geworden.»
Frage: Haben Sie noch Kontakt zu den Frauen?
Horst: «Zu Angie manchmal über WhatsApp. Zu Julia weniger, ich habe sie lange nicht gesehen. Aber das ist auch ganz verständlich. Sie leben in ihrem eigenen Kosmos und machen da einen ganz tollen Job.»
Frage: Wie unterscheiden sich die beiden?
Horst: «Julia spielt aggressives, offensives Tennis. Angie bevorzugt die Defensive, spielt strategisch, macht deshalb weniger Fehler als Julia.»
Frage: Entspricht das auch dem Charakter der beiden?
Horst: «Absolut. Julia ist impulsiver, draufgängerisch, frecher; Angie eher introvertiert, zurückhaltend. Wie sie sich im normalen Leben geben, so spielen sie auch Tennis. Das ist auch völlig korrekt so. Auf dem Platz sollte man authentisch sein.»
Frage: Kann man das Gemütsleben, wenn es gerade mal nicht Hochkonjunktur hat, auf dem Tennisplatz überlisten?
Horst: «Schwer. Manchmal waren die beiden nach der Schule schlecht drauf. Da lief es auf dem Platz entsprechend. Heute können sie sich mit ihrer Erfahrung besser kontrollieren. Man kann auch gewisse Abläufe antrainieren. Aber der Gemütszustand ist immer wichtig.»
Frage: Weil beide geradezu diametral in Temperament und Spielweise sind, wäre das nicht die ideale Konstellation für ein Endspiel?
Horst: «Aber ja. Das könnte ein sehr schönes und spannendes Endspiel werden. Das wäre bestimmt ein Riesending.»
Frage: Wer käme besser mit der nervlichen Belastung klar?
Horst: «Schwer zu sagen. Angie war schon im Endspiel von Wimbledon, sie kennt das. Für Julia wäre das ein ganz besonderes Erlebnis. Möglich aber, dass es kein Nachteil für Julia wäre. Vielleicht ist sie so euphorisiert, dass sie das beflügelt.»
Frage: Wären Sie heute gern Trainer von Angelique Kerber?
Horst: «Nein. Dafür bin ich zu alt. Außerdem bin ich ein Familienmensch. Ich habe immer die Familie den vielen Reisen vorgezogen.»
Zur Person: Herbert Horst (62) ist ein in Mosambik geborener Niederländer, der in Südafrika aufgewachsen ist. Seine Muttersprache ist Englisch. In Deutschland lebt er seit 30 Jahren. Hier wurden auch seine Tochter und sein Sohn geboren. Tennis spielen beide nicht. Der Scharbeutzer trainierte auch Michael Stich, Mona Barthel und Tobias Kamke als Jugendliche. Im Leistungszentrum Wahlstedt betreut er Kinder und Jugendliche und sagt: «Da kommen noch einige Talente.»
Fotocredits: Markus Scholz
(dpa)