Montreal – Die entspannten Urlaubstage sind für Angelique Kerber vorbei, die Wimbledonsiegerin greift erstmals nach ihrem Triumph von London ins Turniergeschehen ein.
Nach einer Zeit, den Grand-Slam-Erfolg sacken zu lassen, nach der Ruhe, um Abstand zu gewinnen, steht für die 30-Jährige in Montreal Tennis wieder im Fokus. Dreieinhalb Wochen nach dem Wimbledon-Finale gegen Serena Williams zählen wieder Ergebnisse.
Alles andere als ein Sieg über Tatjana Maria oder die Französin Alizé Cornet zum Auftakt der nordamerikanischen Hartplatz-Saison wäre eine Enttäuschung. «Es ist Zeit, wieder auf den Platz zurückzukehren. Neue Herausforderungen warten», schrieb die Weltranglisten-Vierte im Internet unter ein Trainingsbild, das sie beim Aufschlag zeigt.
In Montreal ist die Kielerin an Position vier gesetzt. Alle Topspielerinnen bereiten sich auf die US Open vor, die am 27. August in New York beginnen. Vor einem Jahr erlebte Kerber dort mit ihrem Erstrunden-Aus einen schmerzhaften Tiefpunkt. Mit dem Glauben an sich selbst und der Motivation von Wimbledon ist der zweitbesten Spielerin der Saison vieles zuzutrauen. Im unberechenbaren Damen-Tennis ist der nächste Grand-Slam-Coup nicht unmöglich.
In der Weltrangliste könnte die Linkshänderin beim Coupe Rogers schon mit zwei Siegen Punkte gutmachen. Kurioserweise hätte es gleich beim ersten Turnier-Auftritt nach dem denkwürdigen 14. Juli 2018 zur Wimbledon-Revanche gegen Serena Williams kommen können. Doch die US-Amerikanerin sagte aus persönlichen Gründen ab.
Eine Auszeit vom schnelllebigen Tennis-Geschäft hatte sich auch Kerber nach ihrem dritten Grand-Slam-Titel gegönnt. Mit entspannten Tagen am Pool belohnte sie sich für ihren Wimbledonsieg. Sie hat den Titel gewonnen, auf den sie jahrelang hingearbeitet hat – und von dem sie schon als Kind geträumt hat. Wimbledon ist populärer als jedes andere Tennis-Turnier der Welt. «Neu ist: Sie wird jetzt international und national mit anderen Augen gesehen», sagte der dreimalige Wimbledonsieger Boris Becker dem «Tennismagazin».
In den vergangenen beiden Jahren bereitete der Trubel Kerber Probleme. Der Australian-Open- und der US-Open-Titel 2016 sowie der Aufstieg an die Spitze der Tennis-Weltrangliste wurden zur Last. Sie geriet in einen Abwärtsstrudel, zahlreiche frühe Niederlagen waren die Folgen. «Ich wollte es weiter allen beweisen, aber es ging nicht. Ich war leer, psychisch, aber auch physisch», beschrieb sie im «Spiegel» ihr mentales Loch, nachdem sie begonnen hatte, über alles nachzudenken. «Ich merkte: Da stimmt was nicht. Ich fuhr zu Turnieren und war in Gedanken noch zwei, drei Monate hinterher.»
Diesmal will sie mit den Erwartungen, dem Hype und den Pflichten neben dem Platz besser umgehen. Genau deshalb hat sie sich nach Wimbledon erst einmal zurückgezogen. Sie habe gelernt, sie sei reifer geworden, sagte sie. «Bei Angie muss man sich keine Sorgen machen, dass dieser Titel eine Last werden könnte», behauptete Becker.
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(dpa)