Ungeduldig warten viele Fußballfans jedes Jahr auf das Erscheinen des „Kicker“-Sonderhefts zur neuen Bundesligasaison. Erstens ist es dann nicht mehr lang hin, bis der Ball endlich wieder rollt. Zweitens kann man noch verträumt auf das neue Mannschaftsfoto der eigenen Lieblingstruppe schauen und von Meisterschaft oder Aufstieg fantasieren, ohne dass bereits die Realität in Form von unansehnlichen Niederlagen dazwischen gefunkt hätte. Bei der Lektüre des aktuellen Sonderhefts rieb sich jedoch der Leser verwundert die Augen: Mehr als unverblümt wirbt dort Nationaltorwart Manuel Neuer in einem Interview für seine Sponsoren. Ist das noch glaubwürdig? Und ist der „Kicker“ noch glaubwürdig? Jetzt haben sich das Magazin und Neuers Manager zu den Vorwürfen geäußert.
Dumme Frage, dumme Antwort
Über fast drei Seiten zieht sich das „Kicker“-Interview mit dem National- und Bayerntorwart Manuel Neuer: Was erwarten Sie von der neuen Saison, wie ist es nach dem Abgang von Bastian Schweinsteiger und welche Rolle wird die Konkurrenz aus Dortmund spielen? Das Übliche, also. Gegen Ende stellt der „Kicker“ dann eine Frage, die das Gespräch auf eine ganz neue Ebene hievt: „Wenn man Ihre Werbepartner adidas, Coca-Cola, Allianz und Sony sieht, sind sie schon ein Topstar. Wofür möchten Sie als Werbepartner stehen?“ Als Fußballer weiß Neuer, was eine Steilvorlage ist und nimmt diese auf, um seine Sponsoren zu lobpreisen.
„Ich wähle Partner, hinter denen ich auch stehe. Es muss zu mir passen“, sagt Neuer, um dann zum verbalen Fallrückzieher anzusetzen: „Allianz zum Beispiel steht für Rückhalt, wie ich als Torwart auch. Coke Zero steht für das Zu-null, das ich immer schaffen will; Sony für die Schärfe des Bildes, die ich auch benötige.“ Äh, wie bitte?! Kurzer Blick auf den Seitenkopf, vielleicht doch irgendwo die Kennzeichnung „Anzeige“ übersehen? Nein, tatsächlich alles Teil des redaktionellen Inhalts. „Schleichwerbung“ kann man diese auswendig gelernte Aneinanderreihung von Unternehmen schon nicht mehr nennen, so offensichtlich, wie Neuer die Phrasen hier runterleiert. Nun stellen sich mehrere Fragen. Erstens: Warum fällt Neuer nichts zu adidas ein? Zweitens: Welchen Zweck verfolgt der Weltmeister? Glaubwürdig wirken diese Aussagen nicht im Mindesten und den Sponsoren selbst fliegt im Internet gerade ein Shitstorm um die Ohren. Und drittens: Was reitet den „Kicker“, eigentlich ja eine seriöse und renommierte Sportzeitung, eine derartige Frage überhaupt zu stellen? War die Platzierung der Unternehmen womöglich sogar Bedingung für die Zusage des Interviews?
Kicker versteht die Aufregung nicht
„Nein“, widerspricht Chefredakteur Jörg Jakob. Der „Kicker“ bekomme „Interviews, ohne sich von Bedingungen abhängig machen zu müssen“. Und den Vorwurf der Schleichwerbung kann Jakob überhaupt nicht nachvollziehen, schließlich seien Weltstars wie Manuel Neuer nun einmal gefragte Werbefiguren globaler Firmen. „Es muss erlaubt sein, auch solche Aspekte anzusprechen“, so Jakob. Vielmehr sei es „fragwürdig, ja heuchlerisch, so zu tun, als sei diese Seite des professionellen Sports nicht existent.“ Das mag stimmen, hat aber nichts mit der Frage im „Kicker“ zu tun – und erst recht nicht mit einem kritischen Umgang mit dem Thema.
Neuers Medienberater Bernhard Schmittenbecher will von Schleichwerbung ebenfalls nichts wissen. Neuer habe nur auf eine Frage geantwortet und sei nicht auf die Produkte, sondern lediglich auf die Partnerschaften eingegangen. Auch Schmittenbecher betont, eine Erwähnung der Unternehmen sei keine Bedingung für das Interview gewesen.
Presserat sieht die Aussage als „höchst problematisch“
Der Deutschen Presserat sieht das allerdings etwas anders: Sprecherin Edda Eick bezeichnet die Passage als „höchst problematisch und diskussionswürdig“. Ziffer 7 des Pressekodex verlangt, dass Werbung und redaktionelle Inhalte voneinander getrennt werden müssen: „Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht.“
Der Tatbestand der Schleichwerbung ist also übererfüllt. Und irgendwie sind am Ende alle die Dummen: Manuel Neuer, weil er sich zum Werbe-Kasper macht. Der „Kicker“, weil er seine journalistische Integrität aufs Spiel setzt. Die Sponsoren, weil man denen eh alles zutraut. Und der Fan fragt sich langsam, in welchem Maße er eigentlich noch für dumm verkauft werden soll.