Leipzig – Mit der Entscheidung, das Amt des Handball-Bundestrainers zu übernehmen, hatte er schwer zu kämpfen. Christian Prokop ist keiner, dem es um kurzfristigen nächsten Karriereschritt geht. Der 38 Jahre alte Coach steht für Nachhaltigkeit.
Dank seiner akribischen Arbeit entwickelten sich die Leipziger Handballer vom SC DHfK in den vergangenen dreieinhalb Jahren zu einem etablierten Bundesliga-Team. Dem Deutschen Handballbund (DHB) war seine Kompetenz nicht entgangen. Er galt sofort als Wunschkandidat Nummer eins, nachdem Erfolgscoach Dagur Sigurdsson seinen Abschied angekündigt hatte.
«Er ist mit Sicherheit einer der talentiertesten deutschen Trainer und ich traue ihm zu, die deutsche Nationalmannschaft erfolgreich weiterzuführen», sagte der ehemalige Weltklasse-Linksaußen Stefan Kretzschmar der Deutschen Presse-Agentur.
«Leipzig ist eine Herzensangelegenheit. So eine Zusammenarbeit wie mit Karsten Günther habe ich so noch nicht kennengelernt», sagte Prokop noch vor dem All Star Game in einem Interview mit der «Leipziger Volkszeitung». Nach seinem Ja-Wort für das DHB-Amt, kam er nach «unglaublichen Fanbekundungen» noch mal ins Wanken. Er ließ sich von seinen Gefühlen überwältigen und versprach seinem Team zwischenzeitlich einen Verbleib. Das korrigierte er später und sagte dem DHB doch zu. Er habe ständig mit sich gerungen.
Die Parallelen zu seinem Vorgänger sind offensichtlich. Prokop gilt wie Sigurdsson als penibler Analytiker, der seine Gegner bis ins letzte Detail beleuchtet und ein klares Konzept verfolgt. Akribie und Weitsicht brachten ihm bereits nach der ersten DHfK-Saison im Oberhaus den Titel «Trainer des Jahres 2015/2016» ein. Auch beim Voting für das Trainer-Amt der Bundesliga-Weltauswahl beim All Star Game hatte er bei über 250 000 Usern noch vor Flensburgs Erfolgstrainer Ljubomir Vranjes gelegen.
Bereits im besten Handball-Alter von 22 Jahren war für Prokop der Bundesliga-Traum als Aktiver vorbei. Knorpelschäden im Knie beendeten die Karriere des Rückraumspielers. Er wechselte auf die Trainer-Bank. Die Stationen: 2003 erwarb er die A-Lizenz, nebenbei schloss er sein Lehramtsstudium ab und arbeitete sich unter anderem über die Vereine Eintracht Hildesheim, SC Magdeburg II und Post Schwerin stetig nach oben. Im November 2012 übernahm Prokop mit TuSEM Essen erstmals einen Erstligisten, schaffte mit dem SC DHfK 2015 den Aufstieg in die Bundesliga.
Der gebürtige Köthener ist aber nicht nur der nüchterne Analytiker, sondern auch ein «Herzensmensch», wie er sich selbst beschreibt. Viele Spieler sind vor allem wegen ihm nach Sachsen gekommen. Sein Vorteil als Bundestrainer jetzt: Der Familienmensch kann mit seiner Frau in Leipzig wohnen bleiben und weiterhin seinen Sohn Luca und seine Tochter Anna mit dem Fahrrad in den Kindergarten bringen.
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(dpa)