Berlin – Als Stargast der ARD-Quizshow «Wer weiß denn sowas?» hatte Gina Lückenkemper viel Spaß beim Denksport. Am Freitagabend sind aber wieder ihre schnellen Beine gefragt.
Beim Berliner ISTAF Indoor startet Deutschlands schnellste Sprinterin in eine lange Saison mit einem späten Höhepunkt: Vom 27. September bis zum 6. Oktober treffen sich die Leichtathleten in Katars Hauptstadt Doha zur WM. Und erst dann muss die EM-Zweite über 100 Meter in Top-Form sein.
Mit Ansagen, Prognosen oder Hochrechnungen hält sich Deutschlands «Leichtathletin des Jahres» deshalb auch vornehm zurück. «Im Januar formuliere ich doch noch keine Ziele, wenn ich erst bei der WM im Oktober performen muss. Die Saison zieht sich so unfassbar lang – und die WM ist noch so irre weit weg», sagte die 22-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Ihr Fokus liege darauf, «gesund zu bleiben und vernünftig trainieren zu können und mich nicht zu verletzen».
Bei der Heim-Europameisterschaft 2018 in Berlin hatte die 10,95-Sekunden-Sprinterin Silber über 100 Meter und Bronze mit der Staffel gewonnen. Auf den ISTAF-Plakaten glänzt Lückenkemper nun schon wieder, bei ihrem ersten Auftritt im Trikot des SCC Berlin will sie beim größten Hallenmeeting der Welt am Freitag wieder vorne mitmischen.
Fragen zum Vereinswechsel von Bayer Leverkusen zum SCC nerven die Studentin der Wirtschaftspsychologie inzwischen. «Ich bin ganz froh, dass das Thema jetzt endlich vom Tisch ist. Das war ein langwieriger Prozess», sagte Lückenkemper. Grund für den Wechsel: In Leverkusen hätte sie sich von ihrem persönlichen Ausrüster (Adidas) trennen müssen.
«Geärgert hat mich vor allem die Kommunikation», sagte Lückenkemper zum zeitraubenden Wechseltheater. «Meine komplette Off-Season, die Zeit im Jahr, in der ich mal hätte komplett abschalten können, die war durch die Geschichte vollkommen für’n Arsch.» Deshalb konnte sie «nach dem stressigen Sommer überhaupt nicht mal runterfahren».
Weil ihr diese Zeit nun fehlt, lässt Lückenkemper die Hallensaison möglicherweise aus – das ISTAF Indoor könnte ihr erster und letzter Auftritt werden. «Wir machen also nur einen Start und entscheiden dann, wie es weitergeht. Nach Bauchgefühl», sagte sie. «Und wenn ich nicht will, dann nehme ich mir in diesem Jahr auch wirklich die Freiheit.» Die Freiluftsaison hat Vorrang. Schon Mitte Mai sind die World Relays – die inoffizielle Staffel-WM – im japanischen Yokohama.
Ein Teil ihrer Erfolgsgeschichte ist Uli Kunst – auf ihren Trainer hält Lückenkemper große Stücke. Seit 2012 arbeiten die beiden nun zusammen. «Uli ist für mich ein Trainer, von dem ich wahnsinnig, wahnsinnig viel gelernt habe», sagte sie. «Er ist ein Mensch mit sehr, sehr viel Feingefühl – aber das braucht er auch bei einer Athletin wie mir. Weil ich nicht nach irgendeinem Lehrbuch XY trainiert werden kann.»
Kunst reagierte bescheiden auf das Lob. «Wir sind wie zwei Kumpel», sagte der 68-Jährige. An seiner besten Schülerin schätzt er vor allem ihre Leidenschaft für den Sport, ihre Besessenheit und den Hang zur Perfektion. «Ich glaube, manchmal nimmt sie ein Trainings-Video kurz vor dem Schlafengehen als Gute-Nacht-Droge ein.»
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(dpa)