Darmstadt – Wer stoppt RB Leipzig? Womöglich erst der FC Bayern drei Tage vor Weihnachten? So weit vorausschauen wollte Sportdirektor Ralf Rangnick nach dem hochverdienten 2:0 (0:0) des weiter ungeschlagenen Aufsteigers bei Darmstadt 98 natürlich nicht.
«Das interessiert momentan niemand, was Mitte Dezember ist», meinte der 58-Jährige. Die große Freude nach dem sechsten Sieg im neunten Saisonspiel konnte und wollte er genauso wenig verbergen wie Trainer Ralph Hasenhüttl. Aber Bayern-Jäger? Das Wort steht beim Emporkömmling der Fußball-Bundesliga weiter auf dem Index. Und so langsam werden die Sachsen selbst zu Gejagten.
«Wir schauen nur auf uns. Bayern ist sowieso eine andere Liga», mahnte Hasenhüttl. «Wir sind gut beraten, dass wir mit beiden Beinen schön am Boden bleiben. Das werden sie von uns hören, so lang der Tag lang ist.» Der Rückstand des Tabellenzweiten auf Meister München beträgt aber nach dem ersten Saisonviertel weiter nur zwei Punkte.
«Sie lassen nicht locker», sagte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge derweil in Augsburg anerkennend und erklärte: «Die Leipziger haben ein schönes Programm, immer Samstag, Samstag. Die können sich während der Woche ausruhen, während die anderen DFB-Pokal, Champions League oder sonst etwas spielen.»
Vor der Aufgabe am Böllenfalltor hatte RB mächtig Respekt. Die bis dato zuhause ungeschlagenen Darmstädter stemmten sich wie immer leidenschaftlich gegen den Gegner, hetzten ihm aber über weite Strecken nur hinterher. Mittelfeldspieler Florian Jungwirth trat nach dem Abpfiff mit blutiger Lippe vor die Mikrofone und fand nur Superlative für das Leipziger Team mit seinen pfeilschnellen, fast nur jungen Profis. «Es ist schon Weltklasse, was die machen», sagte er. «Megaschwer» sei es gewesen gegen dieses Gegenpressing. «A la bonheur – wie die umschalten.»
Wer denn außer den Bayern ähnlich stark sei? «Dortmund vielleicht», sagte Jungwirth. «Die haben die besseren Einzelspieler.» Auch sein Kollege Sven Schipplock schwärmte: «Die sind alle hungrig und gierig.»
Die Gäste bewiesen viel Geduld, nachdem ein Treffer von Yussuf Poulsen in der Anfangsphase von Schiedsrichter Wolfgang Stark zu Unrecht wegen Abseits nicht gegeben wurde. Erst der eingewechselte österreichische Nationalspieler Marcel Sabitzer, der sich erst vor zwei Wochen einen Bänderriss zugezogen hatte und ein Blitz-Comeback feierte, brach dann vor 16 400 Zuschauern in der 57. Minute den Bann und erhöhte später noch auf 2:0 (81.).
Es waren die Joker-Tore Nummer sechs und sieben des breit aufgestellten Aufsteigers. Auch der Matchwinner wehrte das Wort Bayern-Jäger ab. «Man muss mal die Kirche im Dorf lassen. Es ist ja nicht so, dass wir durch die Liga marschieren», sagte Sabitzer.
«Wir sind heute sehr, sehr glücklich über diesen hart erarbeiteten Sieg», sagte der strahlende Hasenhüttl. «Ich finde, dass wir eine sehr, sehr schwere Aufgabe souverän gelöst haben.» Seine Mannschaft sei im «Flow», bestätigte er. «Die Jungs sind noch neugierig auf die Gegner. Diese Mentalität müssen wir uns bewahren.»
Auch Rangnick frohlockte: «So muss es sein. Die Mannschaft entwickelt sich von Spiel zu Spiel.» Der Schlüssel sei, dass die sieben Neuzugänge die Qualität der Mannschaft nochmals erhöht hätten. Der Sportchef, der 2008 als Trainer von Neuling 1899 Hoffenheim ähnlich furios gestartet war, erinnerte an einen Satz von Hasenhüttl, der viel über den Ehrgeiz und das Selbstbewusstsein der Leipziger aussagt: «Für uns gibt es keine Niederlagen. Es gibt Spiele, die wir gewinnen – oder aus denen wir lernen.» Der nächste Gegner ist am kommenden Sonntag der FSV Mainz 05. Da kann RB die Bestmarke des MSV Duisburg einstellen, der 1993/94 als Aufsteiger vom Start weg zehn Mal ungeschlagen blieb.
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(dpa)