Lenzerheide – Entspannt plauderte Tennisstar Roger Federer vor seiner Abreise nach Dubai über sein Comeback und seine Zukunftspläne. Im kleinen Kreis in Lenzerheide sprach der 35-Jährige auch über sein Image, seine Wünsche an Tommy Haas und sein mögliches Karriereende.
«Ich muss nicht auch noch kitschig aufhören», sagte Federer. In der Sandplatz-Saison denkt die frühere Nummer eins nur über eine Teilnahme an den French Open nach. Die deutschen Turniere in Stuttgart und Halle hat der Schweizer vor Wimbledon eingeplant.
Sie haben jüngst mit einer Gesangseinlage mit Tommy Haas und Grigor Dimitrow für Aufsehen gesorgt. Würden Sie spontan etwas vorsingen?
Roger Federer: Nein (lacht). Ich bräuchte Unterstützung. Die ganze Geschichte war ziemlich witzig, und ich glaube, das wird noch nicht das Ende von meinen Singkünsten sein. Das könnte fast Tradition werden in Indian Wells, alle Jahre wieder. Für die Tennisspieler, die das lustig finden und die gern mitmachen, können wir noch Platz machen in unserer Band. Aber so auf Kommando eher nicht (lacht).
Sie haben angekündigt, für die French Open brennen zu müssen, um dort zu spielen. Ist es für Sie eine Option, den Saison-Höhepunkt auf Sand in Paris auszulassen?
Federer: Ich nehme an, ich werde nach dem ganzen Aufbauprogramm entscheiden, so um den 10. Mai. Wenn ich dann mit dem Tennis fertig bin in Dubai, dann setzen wir uns noch mal hin und schauen, ob wir auf Sand wechseln oder nicht. Dann wird sich zeigen, wie ich mich fühle, ob in der Zwischenzeit was passiert ist, körperlich oder mental. So wie es momentan aussieht, spiele ich die French Open, aber bis zum 10. Mai kann noch viel passieren. Die Option ist sicher da. Nur zu spielen, um zu spielen, das mache ich nicht mehr, so passieren keine Miracles. Ich muss wirklich gut vorbereitet sein und es wirklich wollen.
Sind Sie noch geil auf Siege?
Federer: Ja, natürlich. Ich bin geil darauf, Turniere zu gewinnen. Darauf freue ich mich am meisten. Es ist das Ziel, Turniere zu gewinnen, das Ranking kommt dann von alleine.
Wenn das Traumjahr so weitergeht und Sie tatsächlich Wimbledon gewinnen, würden Sie überlegen, sofort Ihre Karriere zu beenden?
Federer: Daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht. Das müsste dann der Moment entscheiden. Ich habe über Wimbledon hinaus schon lange geplant, ich plane jetzt den Anfang vom nächsten Jahr. Ich glaube nicht, dass Siege in dem Stil etwas verändern. Ich glaube, es ist eher der Kopf und der Körper, die mir sagen, ob Schluss ist.
Aber besser könnte man ja gar nicht aufhören.
Federer: Absolut. Aber es ist nicht das Ziel, dass ich vielleicht auf dem absoluten Super-Höhepunkt aufhören werde. Ich muss nicht auch noch kitschig aufhören. Ich spiele fürs Leben gern Tennis. Ich spiele, solange ich Erfolge habe, ich mir die Freude machen kann, meine Familie Freude hat. So läuft das. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mit einem speziellen Exit raus muss aus der Tour.
So eine Comeback-Geschichte löst bei den Leuten eine ganz besondere Faszination aus.
Federer: Das habe ich auch gelernt. Das war mir in dem Stil nicht bewusst.
Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Popularität einen neuen Höchststand erreicht hat?
Federer: Wahrscheinlich ist das so. Viele Leute mögen solche Comeback-Geschichten. Sie können sich damit identifizieren – besser als mit einem, der immer dominiert. Wenn es immer alles gut läuft, wird es fast schon surreal. Die Leute verstehen mich jetzt vielleicht besser als jemals zuvor. Ich spreche ihnen vielleicht aus der Seele. Oder sie spüren, dass es mir nicht gut ging. Die Popularität ist momentan sehr hoch. Ich hoffe, das bleibt nicht immer so.
Sie gelten als perfekter Gentleman. Ist es manchmal eine Belastung, den Erwartungen gerecht zu werden?
Federer: Belastung eher nicht, denn ich kann zum Glück ich selber bleiben. Ich glaube, das Image wird auch verzerrt, indem viele denken: Der hat Erfolg und der ist perfekt. Aber jeder hat seine Macken. Ich selber arbeite auch immer wieder an mir, damit ich viele Sachen noch besser machen kann im Leben. Sei es in der Organisation als Familienvater oder als Tennisspieler. Ich habe auch überall Baustellen. Ich versuche, den Sport gut zu repräsentieren. Weg von dem Ganzen, als Familienvater, da habt ihr alle keine Ahnung, wie gut oder schlecht ich bin. Auch als Ehemann wisst ihr es ja nicht.
Was ist denn Ihre größte Baustelle?
Federer: Die kommen und gehen. Es gibt keine allergrößte. Aber die Organisation bei uns ist sicher immens. Ich glaube, das kann man sich nicht so vorstellen, was alles bei uns so abgeht.
Tommy Haas ist ein Kumpel von Ihnen. Was wünschen Sie ihm für sein Comeback und für seine letzten Monate auf der Tour?
Federer: Ein Finale in Stuttgart, das wäre doch etwas, am liebsten gegen mich. Ich wünsche ihm natürlich, wie er sich das ja auch selber wünscht, dass er aufhören kann, weil er Lust dazu hat und nicht, weil er wegen einer erneuten Verletzung muss. Ich hoffe, er kann es genießen, weil er auch im positiven Sinn ein sehr energischer Typ ist. Er glaubt ja auch, dass er wirklich noch was erreichen kann, und das muss ja auch sein. Ich habe ihn jetzt so erlebt, dass er sich gefunden hat im Leben. Er ist total happy mit der Familie, mit seinem Job in Indian Wells. Ihm geht es wunderbar, und ich wünsche ihm, dass er das bis zum Schluss durchziehen kann.
Was fehlt dem Toptalent Alexander Zverev noch?
Federer: Zeit, er braucht einfach ein bisschen mehr Zeit. Es ist wichtig, wenn man so groß gewachsen ist, dass man Zeit hat für die Kondition, dass man in seinen Körper reinwächst. Mir gefällt es, wie Sascha spielt. Er hat eine wunderbare Rückhand, die wird sicher mal sehr stark sein, eine der besten auf der Tour. Ich weiß nicht genau, wie er sonst arbeitet. Aber er scheint ein gutes Umfeld zu haben, sehr nette Eltern und einen Bruder, von dem er viel lernen kann. An eurer Stelle wäre ich sehr zuversichtlich.
Zur Person: Roger Federer (35) hat 18 Titel bei den vier wichtigsten Tennis-Turnieren gewonnen und ist damit Rekord-Grand-Slam-Sieger. Die frühere Nummer eins der Welt kehrte im Januar nach einem halben Jahr Verletzungspause auf die Tour zurück und triumphierte sogleich bei den Australian Open sowie den Masters-Turnieren in Indian Wells und Miami. Mit seiner Frau Mirka hat er vier Kinder: die Zwillingstöchter Myla und Charlene und die Zwillingssöhne Leo und Lenny.
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(dpa)