Gelsenkirchen – Noch vor einigen Wochen waren die Kraftverhältnisse im Revierfußball klar: Borussia Dortmund thronte nach dem 7. Bundesliga-Spieltag mit 19 Zählern an der Tabellen-Spitze – mit neun Punkten Vorsprung auf den Rivalen FC Schalke 04.
Danach holten die Königsblauen aus vier Spielen zehn Zähler, Dortmund im selben Zeitraum nur einen. Die Folge: Der BVB musste den Titelfavoriten Bayern München und RB Leipzig vorbeiziehen lassen. Viel schlimmer für viele BVB-Anhänger aber ist, dass ihrem Club erstmals seit Jahren der ungeliebte Nachbarn wieder im Nacken sitzt. «Wir sind im Moment kein Spitzenteam», konstatierte Trainer Peter Bosz ausgerechnet jetzt.
Fast unbemerkt haben sich die Knappen auf Platz vier gemogelt und sich hinter der punktgleichen Borussia (beide 20 Zähler) zum Champions-League-Anwärter gemausert. So sind die Rivalen – zumindest tabellarisch – erstmals seit Langem wieder auf Augenhöhe, wenn es am 25. November in Dortmund zum Revierderby kommt. Der letzte Schalker Derbysieg liegt bereits drei Jahre zurück. Im September 2014 gewannen die Gelsenkirchener daheim 2:1, danach gab es zwei Niederlagen und drei Unentschieden nacheinander.
Schalke-Trainer Domenico Tedesco interessiert das alles scheinbar nicht. Nach der Achterbahnfahrt unter Markus Weinzierl schaffte es der 31 Jahre alte Fußball-Lehrer, die wankelmütige Elf vor allem in der Defensive zu stabilisieren. Zuletzt kassierte das Team um Abwehrchef Naldo nur zwei Gegentreffer in fünf Spielen. In der Mannschaft von Bosz dagegen taten sich nach der Zu-Null-Serie zum Saisonstart in der Abwehr zuletzt große Lücken auf. Zwölf Gegentore in den vier Partien gegen Leipzig, Frankfurt, Hannover und den FC Bayern stimmen bedenklich. Umgekehrt sieht es in der Offensive aus. Mit 28 Toren traf Schwarzgelb exakt doppelt so oft wie Königsblau.
Nach dem 1:0 in Freiburg nannte Tedesco Schalkes Spielweise «eklig». «Man muss auch mal dreckig gewinnen. Grundsätzlich wollen wir schon eklig sein, aber trotzdem das Spiel kontrollieren. Idealerweise brauchen wir beides», meinte Tedesco. Als ein Erfolgsgarant erwies sich in den vergangenen Wochen der technisch versierte Max Meyer, den Tedesco zum kampfstarken «Sechser» umfunktionierte, weil dessen geliebte Rolle in der Offensiv-Zentrale in Tedescos System nicht mehr existiert. «Max macht das sehr gut», befand Tedesco, und auch der Nationalspieler hat sich längst mit seiner neuen Rolle angefreundet: «So habe ich das Spiel mehr vor mir, das gefällt mir gut.»
Trotz der jüngsten Erfolgsserie lassen sich die Schalker nicht zu Kampfansagen verleiten. Tedesco, der stets nur den Entwicklungsprozess seiner Mannschaft im Blick hat und sich wie im Fall Benedikt Höwedes nicht vor unpopulären Maßnahmen scheut, verweigert beharrlich den Blick auf die Tabelle. Träumereien von der Champions League sind ihm fremd. «Wir dürfen uns von solchen Dingen nicht verleiten lassen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.»
Obwohl es derzeit gut läuft, bleibt auch Kapitän Ralf Fährmann cool und bescheiden. «Ich hoffe auch, dass unsere Fans nicht träumen, auch wenn es gerne so weitergehen kann», sagte der Torhüter. Es gebe keinen Grund, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Schließlich kommt der Showdown erst noch. Am 25. November geht es um nicht weniger als die Nummer eins im Revier.
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(dpa)