Sinsheim – Hand – oder doch nicht? Mit dem Elfmeter-Wirrwarr beim 1:1 (0:0) zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem FC Schalke 04 erreichte die Diskussion um die Regelauslegung ihren bisherigen Saisonhöhepunkt in der Fußball-Bundesliga.
Insgesamt elf Handelfmeter – so viele gab es noch nie bis zum 13. Spieltag. Der Videobeweis macht die Sache im Moment auch nicht besser. Hoffenheims Torhüter Oliver Baumann sagte nach dem debattierfreudigen Duell der beiden Champions-League-Teilnehmer am Samstagabend seufzend: «Ich glaube, das wird so was wie ein ewiges Stammtischthema.»
«Es gab ein paar Elfmetersituationen, die zu Tumulten geführt haben – wie so häufig», bilanzierte TSG-Coach Julian Nagelsmann, als sich die Aufregung einigermaßen gelegt hatte. Schiedsrichter Robert Kampka dürfte heilfroh gewesen sein, als er die Partie endlich abgepfiffen und die letzten Beschwerden auf dem Spielfeld abgewehrt hatte. Stellung beziehen wollte der Referee aus Mainz nicht.
Die Gemüter hatte in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena zunächst eine Szene in der 42. Minute erhitzt: Kampka zeigte auf den Elfmeterpunkt, als dem Hoffenheimer Steven Zuber bei einem Flankenversuch von Daniel Caligiuri der Ball erst an die Hüfte und dann an den ausgestreckten Arm sprang. Dann malte der Unparteiische ein Viereck in die Luft: Videobeweis! Er schaute sich am Spielfeldrand die Wiederholungen an – und nahm den Strafstoß zurück. «Da muss der Kamerad in Köln mal die Zeitung weglegen», sagte Schalkes Sportvorstand Christian Heidel später sarkastisch mit Bezug auf den Video-Schiedsrichter.
«Wenn das ein Elfmeter ist, dann fress‘ ich einen Besen», entgegnete wiederum Nagelsmann. Zuvor hatte sich allerdings auch Salif Sané, der Innenverteidiger der Königsblauen, im Strafraum an die eigene Hand geköpft – ohne Folgen. Die Führung der Kraichgauer erzielte dann Andrej Kramaric (59.) nach einer ähnlichen Situation: Bastian Oczipka hatte diesmal den Ball an die rechte Hand bekommen, als Ishak Belfodil am Boden sitzend ihn anschoss. Unmittelbar davor war allerdings auch dem TSG-Stürmer das Leder an den Arm gesprungen.
«Was ist jetzt da der Unterschied zur ersten Szene, wo der Elfmeter weggenommen wurde? Beides ist nicht absichtlich», kritisierte Tedesco und betonte: «Uns wurde bei der Trainerschulung durch die Schiedsrichter gesagt, wenn die Hand nach einer Ballberührung vibriert, keine Spannung hat, dann ist es kein Elfmeter.»
Nagelsmann wiederum erklärte: «Ich kann’s nicht mehr hören: Vergrößerung der Körperfläche. Es ist immer eine Vergrößerung der Körperfläche, weil die Arme rechts und links neben dem Körper hängen.» Oczipka selbst verwies darauf, «dass ich mir die Hand nicht abschneiden kann». Auf die Frage, wie man das Streitthema Handspiel künftig schlichten könne, sagte Nagelsmann mit Tedescos Zustimmung: «Ich finde, dass es nur eine Unterscheidung geben muss – ob es absichtlich ist oder nicht.»
Genau das besagt auch die Fußball-Regel Nummer 12: «Ein Handspiel liegt vor, wenn ein Spieler den Ball absichtlich mit der Hand oder dem Arm berührt.» Die Tücken stecken allerdings im Detail, denn ergänzend heißt es, dass drei Dinge zu berücksichtigen seien: die Bewegung der Hand zum Ball (nicht des Balls zur Hand), die Entfernung zwischen Gegner und Ball (unerwarteter Ball), die Position der Hand (das Berühren des Balls an sich ist noch kein Vergehen).
Das macht das Ganze kompliziert, auch wenn DFB-Schiedsrichter-Boss Lutz-Michael Fröhlich kürzlich betonte: «Wir haben seit über einem Jahr eine Handspielauslegung, die sich eng an der internationalen Auslegung orientiert. Daran hat sich in dieser Saison nichts geändert.» Möglicherweise ändert sich aber in Zukunft etwas: Die Regelhüter des International Football Association Board (IFAB) haben dieser Tage eine «präzisere und detaillierte Formulierung» im FIFA-Regelwerk gefordert. Bei der nächsten Sitzung am 2. März in Schottland soll darüber entschieden werden.
Bezeichnenderweise für die Partie am Samstag in Hoffenheim fiel auch noch der Ausgleich der Schalker durch Nabil Bentaleb (74.) mit einem Elfmeter: Nach einer minimalen Berührung von Ermin Bicakcic war Caligiuri im gegnerischen Strafraum auf dem Rasen gelandet.
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(dpa)