Frankfurt/Main – Ein Film über den schnellsten Mann der Welt ist eigentlich ein Langweiler. Man weiß ja, wie es bei Usain Bolt ausgeht: Er gewinnt, fast immer. Neun Mal bei Olympischen Spielen, elf Mal bei Weltmeisterschaften. Am 28. November kommt Jamaikas Supersprinter und Showman ins Kino.
«I am Bolt» ist ein Porträt über den ewigen Sieger – und auch über den zweifelnden, den getriebenen und sensiblen Ausnahmeathleten. Im letzten Satz des Streifens, gesprochen nach seinem dritten Gold-Triple im August in Rio de Janeiro, offenbart Bolt auch seine Sehnsucht nach dem Karriereende: «Junkfood essen. Einfach leben!»
Bei der internationalen Premiere am 28. November am Londoner Leicester Square wird Bolt dabei sein. «Mit diesem Film möchte ich den Menschen zeigen, wie mein Leben wirklich aussieht… die Dinge, die ich durchgemacht habe, um an den Punkt zu gelangen, an dem ich mich heute befinde, die Hochs und Tiefs, die Einblicke in meine Gedanken- und Gefühlswelt», teilt der 30-Jährige in einer Pressemitteilung der Universal Pictures mit. Der Film zeige sein «wahres Ich». Auch wenn er wisse, dass viele Menschen auf der ganzen Welt glauben, sie würden ihn bereits kennen.
Die immer wiederkehrenden Siege auf großer Bühne, in der Biografie oft untermalt mit opulenter Musik, und die Jubelfeiern in seiner Heimat sind es nicht, die Neues über Bolt offenbaren. Auch nicht der Lobgesang von Leichtathletik-Weltverbands-Präsident Sebastian Coe, der sagt, es habe im Sport niemand außer Muhammad Ali gegeben, der das Publikum so in den Bann gezogen habe wie der Superstar aus der Karibik.
Es sind eher die unspektakulären Momente: In denen Bolt in seinem Hotelzimmer sein makelloses T-Shirt bügelt, zu einem Musikvideo auf dem Smartphone singt. Wo er sich mal wieder langweilt und sein Manager Ricky Simms erklärt: «Er kann halt nicht einfach raus und shoppen gehen.» Oder wenn er zugibt, dass er jedes Jahr Angst vor dem ersten Rennen habe: «Bin ich noch schnell? Bin ich noch der Schnellste?» Wie er nach einem Rennen stöhnend in eine mit Eiswasser gefüllte Badewanne sinkt oder im Training schwer atmend auf dem Boden liegt und sagt: «Irgendwann nach Rio werde ich aufhören mit der Leichtathletik.»
Bolt, gehandicapt durch eine Oberschenkelverletzung, hatte vor den Sommerspielen mit Motivationsproblemen zu kämpfen. Er musste bei den Jamaika-Trials aussteigen, sich von seinem US-Rivalen Justin Gatlin anmachen lassen. Doch als er ein Video mit Gatlins Ankündigung, er werde Bolt bei Olympia schlagen, sah, «da hat sich alles geändert».
«I am Bolt» zeigt auch, dass der Weltrekordler sein kleines Team braucht wie ein Familie, um auf der Bahn zu bleiben: den schwergewichtigen, beruhigenden Trainer Glen Mills, den smarten Manager Simms, seinen Physiotherapeuten Everald Edwards – und vor allem Nugent Walker, genannt «NJ». Bolts langjähriger Schulfreund, engster Vertrauter, offiziell: Exekutive Manager. «Er liebt ihn wie seinen Bruder», sagt Simms.
Sie alle fangen Bolt immer wieder auf, wenn er sich am liebsten hängen lassen würde. Denn er sagt selbst: «Ich hasse es, Dinge zu tun, an denen ich keine Spaß habe.» Der lässige Sprinter braucht die Auszeiten: mit flotten Mädels am Strand, in seinem goldfarbenen Sportwagen, mit seinen Kumpels in der Disco. Er benötigt sie wie die Luft beim Endspurt und wie das Lachen, das durch den Film hallt.
Der Amerikaner Michael Johnson, einst über 200 und 400 Meter ähnlich dominant wie Bolt, kennt dessen Dilemma: «Du kommt irgendwann an einen Punkt, wo du weniger gegen andere Konkurrenten als gegen dich selbst läufst.» Deshalb will der Jamaikaner bei den Weltmeisterschaften 2017 in London seine einzigartige Karriere beenden. Er habe sein Leben dieser Leidenschaft, der Schnellste zu sein, gewidmet. Jetzt ist bald Zeit für ein neues.
Fotocredits: John G.Mabanglo
(dpa)