Zagreb – Selbst nach der ersehnten Rückkehr in den Kreis seiner Familie kehrt für den angezählten Handball-Bundestrainer Christian Prokop keine Ruhe ein. Bei der desolaten EM in Kroatien könnten tiefere Risse zwischen Trainer und Mannschaft entstanden sein, als zunächst angenommen.
Die «Bild» berichtete von einem «Trainings-Eklat» vor der entscheidenden Niederlage gegen Spanien (27:31) am vergangenen Mittwoch. Demnach sei der 39-jährige Prokop bei der Einheit am Morgen vor dem Spiel mit einigen Akteuren nicht zufrieden gewesen und habe die Halle wutentbrannt verlassen. Wenig später reagierte auch der Deutsche Handballbund (DHB) auf den Bericht, dementierte aber entschieden.
Die Einheit vor der Partie habe «in der üblichen Art und Weise» stattgefunden, heißt es in einer knappen Stellungnahme. «Anderen Darstellungen widersprechen wir.» Was auch immer am Morgen vor der Pleite gegen die Iberer passiert ist: Zu einer klaren Leistungssteigerung des noch amtierenden Europameisters trug es nicht bei. Prokops Team erlebte bei der Neuauflage des Finales von 2016 ein sportliches Debakel und schied aus dem Turnier aus – und die Diskussionen um den erst vor knapp einem Jahr für rund 500 000 Euro verpflichteten Coach nahmen Fahrt auf.
Nach einem enttäuschenden Turnier kehrte der übermüdete Prokop schließlich am Donnerstagabend zu seiner Frau Sabrina und seinen Kindern Anna und Luca zurück. In seiner sächsischen Heimat sucht der vom Misserfolg schwer gezeichnete Coach Erholung vom Turnierstress. Trotz einiger Differenzen zwischen ihm und Teilen des Teams machte die Verbandsspitze am Freitag deutlich, dass dem 39-Jährigen die Zukunft gehören soll. DHB-Präsident Andreas Michelmann unterstrich aber auch, dass Prokop spätestens am Abschneiden bei den nächsten Großturnieren gemessen wird. «Liefern muss er bei der Heim-WM 2019 und den Olympischen Spielen 2020», sagte Michelmann der Deutschen Presse-Agentur.
Die EM dagegen sei für den Trainer eine Art Testlauf gewesen. «Es war klar, dass wir dem Trainer bei dieser EM in Kroatien die Möglichkeit geben mussten, Neues auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln», sagte Michelmann. Aber dieser Test ging krachend schief. Die Gründe dafür sieht der DHB-Boss aber weniger beim Trainer als vielmehr bei der Mannschaft, die er in Teilen für überschätzt hält. «Wir waren 2016 Europameister und Olympia-Dritter, also gefühlt eine der besten Mannschaften der Welt», sagte der 58-Jährige. «Wenn du aber Position für Position durchgehst, gibt es immer drei, vier Mannschaften, die besser sind als wir.»
Bei dem Turnier wurden aber auch Missverständnisse zwischen Mannschaft und Trainer offenkundig. Prokop gilt als ein Übungsleiter mit hohen taktischen Ansprüchen. Offenbar waren diese Ansprüche für einige seiner Spieler beim ersten gemeinsamen Turnier zu hoch. Der DHB will das nun in den kommenden Wochen analysieren. Im Rahmen des Allstar-Games am nächsten Freitag in Leipzig, wo die Nationalmannschaft auf eine Bundesliga-Auswahl trifft, wird sich das Präsidium erstmals zusammensetzen. Michelmann wie auch der mächtige DHB-Vizepräsident Bob Hanning wollen an Prokop festhalten.
Rückendeckung erhielt Prokop auch vom ehemaligen Weltklasse-Torhüter Henning Fritz. «Es wäre völliger Quatsch, sich jetzt vom Bundestrainer zu trennen», sagte der Weltmeister von 2007 dem «Mannheimer Morgen» (Samstag). «Christian Prokop muss sich jetzt entwickeln und lernen, ein wenig gelassener zu werden.» Das sieht auch Bundesliga-Chef Uwe Schwenker ähnlich, der ebenfalls an der Präsidiumssitzung nächste Woche teilnehmen wird.
Schwenker gilt als Unterstützer Hannings, der Prokop damals mit Unterstützung der Liga vom SC DHfK Leipzig losgeeist hatte. Prokop war Hannings Idee, er stattete ihn damals gleich mit einem Fünfjahresvertrag aus, weshalb auch die Kritik am DHB-Vize zuletzt zunahm. Daher wird auch Hanning sich am künftigen Abschneiden Prokops messen lassen müssen. Und darum wird auch er kein großes Interesse daran haben, sich vorzeitig von ihm zu trennen. DHB-Präsident Michelmann plädiert ohnehin dafür, beiden Zeit zu geben. «Diese EM in Kroatien war nicht entscheidend für irgendwas. Entscheidend ist für uns die WM 2019.» Die findet in Deutschland und Dänemark statt.
Fotocredits: Monika Skolimowska
(dpa)